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Häusliche Gewalt
#4
Die Polizei kam damals nicht.
Stattdessen wurde sie beruhigt und sie sollte sich erneut melden, würde die Situation wiederholt eskalieren.
Die Schilderung des Tathergangs muss demnach unzureichend gewesen sein.
Wartete sie nun mit dem viel gepriesenen Heim auf?
Nein.
Erneut kamen meine Großeltern mich zu holen und diesmal sollte es so bleiben.
Ich verbrachte die Zeit bis zu meiner Volljährigkeit bei und mit ihnen, schaffte meine mittlere Reife und begann eine Ausbildung.
Die häusliche Gewalt begegnete mir nicht in diesem gemäßigten Umfeld.
Wohl war ich nicht pflegeleicht – woher auch?
Es gab zunächst noch leichte Übergangsschwierigkeiten, aber eine erste feste Freundin folgte ebenso, wie mehrfache persönliche Neuorientierungen, in Sachen Freunde und Hobbys.
Zu den Übergangsschwierigkeiten gehörte ein Zusammenbruch von Mutti, irgendwann nachdem ich sie angeblich hatte umbringen wollen.
Gemeinsam mit meinen Großeltern besuchte ich sie im Krankenhaus.

Mutti kriegte im Anschluss die Kurve nicht mehr und nachdem ich endlich aus dem Spiel und einigermaßen in der Spur war, bekam sie Panikattacken, Sozialphobien und schloss sich ein.

Ich kann mich nicht mehr erinnern ob die Worte gleich zu Beginn oder etwas später gefallen waren?
„Du weißt, dass ich deinetwegen hier bin?“
Es sollte die letzte inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema, für die kommenden, rund 25 Jahre, gewesen sein.
Ich weiß nicht einmal mehr was ich ihr in dem Moment geantwortet hatte, so wie ich mich an den Rest dieser Begegnung ebenfalls nicht mehr erinnere.
Offenbar fiel in dem Moment die letzte Klappe dieser Mutter-Kind-Beziehung.


Meine erste feste Freundin verließ ich nach mehr als einem Jahr, nach einem Streit.
Wortlos.
Das war meine neue Konfliktstrategie: Umdrehen, weggehen und nicht mehr zurück blicken.

Mit 18 Jahren war ich nun volljährig, mein Großvater ging in den Ruhestand und ich bezog meine erste eigene Wohnung. Drei Jahre jünger, unreifer und immer auch latent aggressiv, als Mutti zu ihrer Zeit.
Die ersten Jahre waren hart, man mag es glauben.
Mit einer mageren Ausbildungsvergütung, dem Kindergeld und Barunterhalt der beiden Eltern plötzlich alles allein bestreiten zu sollen war nicht einfach. Falsche Freunde machten sich bei mir breit, nachdem ich diese bereitwillig in meine kleine Wohnung ließ und es folgte ein herber Abstieg. Meine zunächst noch liebevoll gepflegte Butze wurde zur Müllhalde, der Ausbilder meinte mich billig verkaufen zu können, worauf hin ich den Laden, erneut reichlich wortlos, schmiss und ich wollte nur noch raus.

Das kann es doch nicht gewesen sein?

Mein Großvater besorgte mir zunächst einen Job.
Das war goldrichtig, denn ich hatte mit einem Schlag ein prall gefülltes Bankkonto und konnte mir so ziemlich alle meine bescheidenen Wünsche erfüllen.
Eine neue Partnerin betrat mein Leben und weil die so scharf war, dass sich auch jeder andere sämtliche Finger nach ihr leckte, war ich mordsmäßig eifersüchtig.
Ich durfte zum ersten Mal so richtig leiden, wenn sie mit den anderen Jungs kokettierte und ich denke wohl, an so ziemlich jedem Wochenende gab es von mir hässliche Szenen.
Nicht, dass ich ihr den Umgang mit den anderen verbot, nur diese quälenden Flirts sollten bitteschön aufhören.
Die „Ich bin dann mal weg“- Strategie zog hier nicht. Ich schaffte es nicht, mich von ihr zu lösen. Ich hatte jedoch auch keinen Plan, was genau mich bei ihr hielt.
Es dauerte zwar einige Zeit, jedoch hatte ich mich hier am Ende durchsetzen können.

Ich begann erneut eine Ausbildung.
Diese verlangte von mir so ziemlich alles ab, was ich leisten konnte, war jedoch von hoher Qualität und ich erkannte meine wohl letzte Chance.

Ich, der Täter

Meinem Großvater ging es bescheiden.
Er hatte einen stillen Infarkt.
Was der 2. Weltkrieg nicht schaffte, seine Familie hatte es hin bekommen.
All der Mist der vergangenen rund 40 Jahre, nach der Geburt seiner Tochter, hatte ihm zu sehr zugesetzt.
Nun saß er also im Haus und sollte sich schonen.
Kunststück!
Mutti, noch immer psychosomatisch am Boden, forderte ihre Wiedergutmachungen. Brüderchen musste gleichfalls unterstützt werden und ich bekam erneut Zoff, mit meiner nunmehr Verlobten.
Worum es diesmal im Detail ging weiß ich nicht mehr. Nur, dass wir immer wieder stritten und ich mindestens sexuell unbefriedigt war.
Es kam im Zuge dieses Streits zu einer Entlobung und einer Aufforderung meinerseits bitteschön die Wohnung zu verlassen, und dies bitteschön pronto.
Es ist nun nicht so, dass sie aufgrund meiner Eifersucht keine Freunde mehr gehabt hätte.
Die hatte sie - und auch in der Nähe.
Allerdings wollte sie an genau diesem Abend keine dieser Freunde mit ihrer Anwesenheit belästigen und eröffnete mir, dass sie sodann zu meinen Großeltern gehen würde.

Hat es eine Stunde gebraucht?
Kein Plan!
Ich redete auf sie ein, das bitte zu unterlassen. Wieder und wieder.
Ich bot ihr nicht an noch die eine Nacht zu bleiben.
Ihre Anwesenheit war nicht drin und ich wollte den Schnitt – hier und jetzt.
Nö, dann ginge sie zu meinen Großeltern.
Sie selbst kannte die Geschichte meiner Familie aus dem „ff“ und hatte zu allen ein gutes Verhältnis.
So wurde ich zum Täter häuslicher Gewalt.
Die Folgen waren verheerend.
Nicht nur für sie, körperlich, sondern auch für uns beide, psychisch.

Es war das letzte Mal, dass ich meine Hand gegen einen anderen Menschen erhoben hatte.

Wir trennten uns tatsächlich und meine Großmutter erzählte mir erst vor wenigen Jahren von einem Gespräch, dass sie mit meiner Ex-Freundin führte.
Im Verlauf dieses Gespräches stellte meine Ex-Freundin heraus, dass sie mich bis auf´ s Blut reizte und sich mit verantwortlich für die Tat fühlte. Sie meinte mich bewusst provoziert zu haben; sie hätte schließlich auch ohne eine entsprechende Ankündigung einfach zu ihnen gehen können.

Es mag zunächst befremdlich klingen, aber meine Tat gegen meine damalige, große und unglückliche Liebe sollte mir später mehr als nur meinen Allerwertesten retten.

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16.02.2012, BILD: "Das Halbwahre ist verderblicher als das Falsche." (Ernst Freiherr von Feuchtersleben)


Nachrichten in diesem Thema
Häusliche Gewalt - von Bluter - 14-10-2010, 10:11
RE: Häusliche Gewalt - von Bluter - 15-10-2010, 08:41
RE: Häusliche Gewalt - von Bluter - 16-10-2010, 09:51
RE: Häusliche Gewalt - von Bluter - 17-10-2010, 09:55
RE: Häusliche Gewalt - von Bluter - 23-10-2010, 10:29

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