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OLG FFM 5 UF 46/08: Kein Kindesunterhalt bei Verzögerung der Schulausbildung
#1
OLG FFM vom 30.07.2008
Aktenzeichen 5 UF 46/08
Volltext: http://www.hefam.de/urteile/5UF4608.html

"Die Rücksichtnahme auf die Belange der mit der Unterhaltszahlung belasteten Eltern gebietet es, die Ausbildung zielstrebig durchzuführen. Wenn der Kläger dieser Obliegenheit nicht nachkommt, büßt er seinen Unterhaltsanspruch ein und muss sich darauf verweisen lassen, selbst für seinen Lebensunterhalt aufzukommen."

Sohn wird sehr schlecht in der Schule, schwänzt, zieht im Frühjahr 2007 aus. Vater ist krank und hatte immer nur schlechte, gering bezahlte Jobs. Mutter ist kaufmännische Angestellte, ein Jahr arbeitslos. Sohn will Unterhalt, Amtsgericht verurteilt den Vater zu Ausbildungsunterhalt in Höhe von 486 EUR plus zu zahlende Rückstände. Ihm wird kräftig fiktives Einkommen (600 EUR pro Monat!) angerechnet, ausserdem würde ja seine neue Frau für seinen Lebensunterhalt sorgen (die aber in Wirklichkeit auch nur wenig verdient). Unterhalt für das jüngere Kind soll der Vater sowieso noch voll zahlen.

Vater geht in Berufung. Begründung: "Das Urteil des Amtsgerichts Gießen sei falsch, da dort zu Unrecht von seiner Leistungsfähigkeit ausgegangen werde. Tatsächlich sei er infolge seiner körperlichen Einschränkungen bereits in 2007 nicht in der Lage gewesen mehr als ein Einkommen von circa 500 € monatlich zu erzielen. Ab Januar 2008 sei er krankheitsbedingt außer Stande überhaupt einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Auch seine Ehefrau sei nur eingeschränkt leistungsfähig, da ihr nach Abzug aller Verbindlichkeiten monatlich lediglich circa 700 € verblieben. Sie sei daher nicht imstande, für seinen Unterhalt aufzukommen. Das Urteil sei auch deshalb falsch, weil die Einkommensverhältnisse der Kindesmutter seitens des Klägers nicht dargelegt seien. Im Hinblick darauf, dass auf seiner Seite fiktive Einkünfte berücksichtigt würden, obliege es dem Kläger auch zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Mutter und ihren Verdienstmöglichkeiten vorzutragen, damit sich der Haftungsanteil der Eltern feststellen lasse. Da dies vorliegend nicht geschehen sei, sei die Klage unschlüssig.

Im Rahmen der Berufungsbegründung berief sich der Beklagte auch darauf, dass eine Barunterhaltsverpflichtung dem Grunde nach nicht bestehe. Er habe gegenüber dem Kläger von dem ihm zustehenden Bestimmungsrecht nach § 1612 Abs. 2 BGB Gebrauch gemacht, indem er den Kläger wiederholt zur Rückkehr in seinen Haushalt aufgefordert habe, um ihm dort Naturalunterhalt zu leisten. Der Beklagte bestritt jetzt auch, dass der Kläger überhaupt eine Schulausbildung absolviert. Nach seinen Informationen sei der Kläger der Schule zu einem ihm nicht bekannten Zeitpunkt verwiesen worden. Er habe ihn mehrfach aufgefordert, Zeugnisse oder Schulbescheinigungen vorzulegen, ohne dass eine Reaktion erfolgt sei."


Das OLG gibt dem statt. Ein Unterhaltsanspruch würde gar nicht mehr bestehen, dass der Kläger noch in die Schule geht hat er nicht nachgewiesen. Aber auch für die Zeit, als er noch zur Schule ging, kriegt er keinen Unterhalt: "Ein Unterhaltsanspruch nach § 1610 Abs.2 BGB auf Unterhaltsleistungen für eine angemessene, der Begabung, Neigung und Leistungsfähigkeit entsprechende Ausbildung eines Kindes setzt nämlich im Gegenseitigkeitsverhältnis gemäß § 1618 a BGB voraus, dass der Unterhaltsberechtigte die Ausbildung mit Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit in angemessener und üblicher Zeit durchführt und beendet. Hieran fehlt es nach der Überzeugung des Gerichts auf der Seite des Klägers. Er hat bereits vor seinem Auszug aus dem Haushalt des Beklagten die ihm obliegende Verpflichtung, die Schulausbildung zielstrebig zu verfolgen, nicht erfüllt, da er seiner Schulpflicht nicht nachkam und daher den schulischen Leistungsanforderungen nicht gerecht werden konnte. Dieses Verhalten, das zu dem Zerwürfnis mit dem Beklagten maßgeblich beitrug, hat er nach seinem Auszug nach dem unwidersprochenen Vortrag des Beklagten in der Berufungsinstanz fortgesetzt und damit die Bedingung dafür gesetzt, dass er nicht versetzt und letztlich auch von der Schule verwiesen wurde."

Nur gewisse Orientierungsphasen sind statthaft (OLG Frankfurt, Beschluss vom 29.1.2002, 1 WF 228/01)

Das OLG-Urteil ist schlüssig und entspricht der allgemeinen Rechtssprechung. Schockierend ist es jedoch, über das Amtsgericht Gießen zu lesen, das grob versagt hat. Selbst einfachste Grundsätze des Unterhaltsrechts wurden von diesem Richter nicht beachtet. Bei derartigen mentalen Ausfällen bleibt nur der Gang zum OLG. Das wird noch witzig, wenn mit dem neuen Verfahrensrecht die Rechtszüge weiter beschnitten werden. Vielleicht auch positiv, denn auch höhere Instanzen knallen gerne durch, zum Beispiel der BGH, Urteil vom 17.05.2006, XII ZR 54/04:

Der Kläger hat nach Abschluss der Realschule eine Maurerlehre absolviert mit anschließendem Besuch einer Fachoberschule. Danach versuchte er eine Ausbildung zum gehobenen Polizeidienst, die er abbrach, weil diese doch nicht seinen Neigungen und Fähigkeiten entsprach. Er klagte gegen seinen Vater auf Zahlung von Ausbildungsunterhalt für sein begonnenes Architekturstudium.

Der Bundesgerichtshof gab dem Kläger recht. Die Eltern schulden ihrem Kind jedenfalls Unterhalt für eine Berufsausbildung, die der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und dem beachtenswerten Neigungen des Kindes am besten entspricht und sich dabei in den Grenzen ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit hält. Die Unterhaltspflicht dauert deshalb auch dann fort, wenn die erste Ausbildung auf einer deutlichen Fehleinschätzung der Begabung des Kindes beruht.


Die vierte Ausbildung und die Eltern müssen zahlen - typisch BGH, der sich immer schon ganz besonders dem Unterhaltsmaximierungsprinzip verpflichtet fühlt.

Auch passend das OLG Rostock, Beschluss vom 26.02.2008 - 10 WF 36/08: Kein Ausbildungsunterhalt nach dem geplanten Berufsabschluss.
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