Themabewertung:
  • 1 Bewertung(en) - 5 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Gesetzentwurf §1626a BGB, gemeinsames Sorgerecht nichteheliche Eltern
#10
(03-04-2012, 00:45)Ibykus schrieb: Wer das in den Entwurf hinein interpretiert

Sehen wir uns doch an, was drinsteht statt zu interpretieren. Zunächst die gemeinsame Sorge in §1626a BGB: Sorgerecht gibts, wenn dies "dem Kindeswohl nicht widerspricht". Das BVerfG hatte die Grenze noch deutlich höher angesetzt: Sorgerecht gibts, "soweit zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl entspricht". Das ist ein enormer qualitativer Unterschied und die Befürchtung, dass nun wieder eine Minimalregelung kommt, die gerade mal das erreicht war das BVerfG erzwungen hat, ist immerhin vom Tisch: "Anders als nach der Übergangsregelung des BVerfG im Beschluss vom 21. Juli 2010 ist keine positive Feststellung erforderlich, dass die gemeinsame Sorge dem Kindeswohl entspricht."

Nicht nur das. Um der bekannten Verdrehungssucht der Richter entgegenzutreten, wird in den Erläuterungen klargestellt was unter dem "nicht widerspricht" zu verstehen ist und welche Kriterien keine Rolle zu spielen haben. Die Erläuterungen und Begründungen werden regelmässig von den Gerichten herangezogen, wenn es um Interpretationsfragen geht. Sie bleiben nicht ohne rechtliche Wirkung. Das kann man in vielen Urteilsbegründungen nachlesen.

Beispiele:
"Insbesondere wird von dem Erfordernis der häuslichen Gemeinschaft oder des Zusammenlebens der Eltern als Zeichen der Kooperationsfähigkeit abgesehen"

"Es besteht weiterhin keine Veranlassung, die gemeinsame Sorge vom Anerkenntnis einer Unterhaltspflicht des Vaters abhängig zu machen"

"Auch schon manifest gewordene Kommunikationsschwierigkeiten rechtfertigen für sich genommen nicht eine Ablehnung der gemeinsamen Sorge, da von den Eltern zu erwarten ist, dass sie Mühen und Anstrengungen auf sich nehmen, um im Bereich der elterlichen Sorge zu gemeinsamen Lösungen im Interesse des Kindes zu gelangen. Diese elterliche Pflicht trifft nicht miteinander verheiratete Eltern gleichermaßen. (...) Da im Zuge einer Trennung vielfach Kommunikationsprobleme auftreten, können diese nicht ohne Weiteres zu einer ablehnenden Entscheidung nach § 1626a BGB-E führen."

"Der pauschale Vortrag der Kindesmutter, sie könne nicht mit dem Kindesvater sprechen und sie beide hätten auch völlig unterschiedliche Wertvorstellungen, kann per se mithin noch nicht dazu führen, die gemeinsame elterliche Sorge zu versagen. Wie das AG München in einem Beschluss vom 7. Juli 2011, Az. 551 F 1533/11 (nicht veröff.) ausgeführt hat, reicht es dann, wenn der sorgeberechtigte Elternteil seine Verweigerung der gemeinsamen elterlichen Sorge darauf stützt, dass keine Kooperationsbereitschaft bestehe, nicht aus, „lediglich formelhafte Wendungen hierzu vorzutragen.... Es ist ein differenzierter Tatsachenvortrag erforderlich, der die Schwierigkeiten zwischen den Eltern anhand von Vorfällen dezidiert schildert (OLG München, NJW 2000, 368, 369). Konkrete Vorkommnisse sind anzuführen, die belegen, dass eine tragfähige Basis für eine gemeinsame elterliche Sorge nicht besteht. Hierzu ist vorzutragen, wann bei welchem Anlass und auf welche Weise Bemühungen um eine Konsensfindung auf Elternebene stattgefunden haben und diese gescheitert sind (vgl. OLG Hamm, FamRZ 2005, 537).“"

"Nimmt die Mutter eine Blockadehaltung erst im Zusammenhang mit dem Begehren des Vaters, an der Sorge beteiligt zu werden, ein, und dies lediglich deshalb, weil sie die Alleinentscheidungsbefugnis behalten möchte, wird sich diese Haltung durch eine praktizierte gemeinsame Sorge oftmals auflösen lassen."
- eine Blockade spricht sogar für die gemeinsame Sorge!

Drumrummogeln gilt nicht: "Gleiches gilt, wenn die Mutter eine gemeinsame Sorgetragung allein mit der Begründung ablehnt, es bestehe keine Notwendigkeit für ein gemeinsames Sorgerecht, weil der Vater von ihr mit Vollmachten ausgestattet sei und in naher Zukunft ohnehin keine wichtigen Entscheidungen anstünden."

Bisher war die Behauptung und Herbeiführung von Konflikten ein beliebtes Mittel, um die gemeinsame Sorge zu blockieren. Da in Zukunft schon bald nach der Geburt über die gemeinsame Sorge entschieden werden muss, ist die Elternschaft erst wenige Wochen alt. Lang anhaltende tiefe Zerwürfnisse lassen sich zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht beweisen.

Der Entwurf versucht, das Maximum aus dieser beknackten Koalitionsvereinbarung herauszuholen, soviel ist sichtbar.

Zitat:So ist es wohl eher Heuchelei, mit der man (bezieh' das bitte nicht auf Dich, P) blauäugige Väter blendet.

Ich kann nicht erkennen, dass man blauäugig ist, wenn so wie alle hier die gemeinsame Sorge ab Geburt bzw. sogar schon ab Vaterschaftsanerkennung als einzig richtige Lösung fordert und nun liest, dass einer der Schrittchen auf dem Weg dorthin weiter ausgefallen ist wie es vor Wochen noch ausgesehen hat. Blauäugig ist vielmehr der, der von dieser Regierung allen Ernstes gemeinsame Sorge ab Geburt erwartet hat.

Meine Befürchtung ist jetzt, dass der Entwurf noch zusammengestrichen wird.
Zitieren


Nachrichten in diesem Thema
RE: 1626a BGB - Entscheidung in Straßburg zum Sorgerecht nichtehelicher Väter - von p__ - 03-04-2012, 11:20

Möglicherweise verwandte Themen…
Thema Verfasser Antworten Ansichten Letzter Beitrag
  1626a BGB - Entscheidung in Straßburg zum Sorgerecht nichtehelicher Väter lordsofmidnight 442 624.955 30-11-2012, 10:48
Letzter Beitrag: webmin
  "Ohne Kindeswohl kein gemeinsames Sorgerecht" Ibykus 0 3.189 30-09-2012, 18:18
Letzter Beitrag: Ibykus
  BVerfG erneut zum gemeinsamen Sorgerecht nichtehelicher Eltern sorglos 37 29.230 06-10-2010, 11:16
Letzter Beitrag: blue
  gemeinsames sorgerecht automatisch? stafford 15 16.120 22-10-2009, 15:00
Letzter Beitrag: stafford

Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 2 Gast/Gäste