19-12-2011, 19:48
Beschluss des BGB vom 26.10.2011, Aktenzeichen XII ZB 247/11
Volltext hier: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bi...ame=4&.pdf
Vorinstanzen AG Zerbst und OLG Naumburg
Der BGH hat sich mal zur Abwechslung mit Umgangsvereitelung beschäftigt - das wird selten bis zum BGH durchgelassen. Der betreffende Teil des Leitsatzes sagt schon viel aus:
"Zur Beseitigung einer Gefährdung des Kindeswohls (hier: Umgangsvereitelung und massive Beeinflussung des Kindes durch die allein sorgeberechtigte Mutter gegen den Vater) darf nur das mildeste Mittel gewählt werden. Vor Entziehung des - gesamten - Aufenthaltsbestimmungsrechts wegen Umgangsvereitelung ist eine Umgangspflegschaft einzurichten. Davon kann nur bei offensichtlicher Aussichtslosigkeit abgesehen werden."
Es folgen 20 Seiten Begründungen. Man kann es kaum in knappen Worten zusammenfassen.
Kind geboren im Jahr 2000, Trennung 2009, Mutter alleinsorgeberechtigt weil Kind nichtehelich, so wie es in diesem Bundesland üblich ist. Kind ist nur am Wochenende bei der Mutter, unter der Woche bei der Grossmutter. Zum Vater schreibt das Gericht:
"Der Vater versuchte nach der Trennung wiederholt, Umgang mit dem Kind zu erhalten. Auf seinen Antrag wurde ein Umgangsverfahren vor dem Familiengericht durchgeführt. Trotz einer von den Eltern getroffenen vorläufigen Vereinbarung, eines später gegen die Mutter verhängten Ordnungsgeldes sowie einer anschließenden gerichtlichen Umgangsregelung kamen Umgangskontakte nicht zustande. Das Scheitern lag im Wesentlichen in der ablehnenden Haltung der Mutter begründet, die dem Kind wegen seines Wunsches nach Kontakt mit dem Vater unter anderem massive Vorhaltungen gemacht hatte und auch einen begleiteten Umgang im Jugendamt ablehnte. Weitere Vermittlungsbemühungen und -vorschläge blieben ohne Erfolg."
Die Grossmutter blockiert auch fleissig mit, verweigert radikal die Anhörung des Kindes. Das AG ist nicht untätig, es droht mit Sorgerechtsentzug und holt zur Erziehungsfähigkeit der Mutter ein familienpsychologisches Sachverständigengutachten ein. Darauf werden Teile des Sorgerechts auf einen Pfleger des Jugendamts übertragen, der bringt es in ein Heim der Jugendhilfe. Dort will es bleiben, es freut sich sehr, nicht mehr bei der Mutter/Grossmutter zu wohnen, weil es sich dort extrem unter Druck gesetzt und manipuliert fühlt. Kontakte zum Vater sollen angebahnt werden.
Mutter klagt sich die Instanzen hoch. Verliert beim OLG, denn "der massive Interessenkonflikt der Kindeseltern habe bereits deutliche und für das Kindeswohl nachteilige seelische Auswirkungen auf das Kind gehabt, sodass bereits von einem Schaden für das Kind gesprochen werden könne. Das Oberlandesgericht hat sich auf das Sachverständigen - Gutachten bezogen, nach dem das Kind auch nach der Trennung eine tiefe und eigentlich positive emotionale Bindung zum Vater habe, der sich früher ebenfalls intensiv um die Betreuung des Kindes gekümmert habe. Diese Bindung werde aber von der Mutter, die die Trennung vom Vater emotional immer noch nicht überwunden habe und diesem negativ gegenüberstehe, abgelehnt, was sie auch durch ihr Verhalten dem Kind gegenüber zum Ausdruck bringe. Bei der Mutter, die den Vater im Beisein des Kindes auf das Übelste beschimpft habe, sei eine massive Verweigerungshaltung gegenüber den Kontakten zwischen Vater und Kind vorhanden." und so geht es noch eine Weile weiter, ist wirklich lesenswert weil das OLG auch auf die weitere Entwicklung des Kindes eingeht, z.B. "Diese Situation würde dazu führen, dass das Kind sich im Alter von 20 bis 25 Jahren wegen des erlittenen Bindungsverlustes und einer sich hieraus wahrscheinlich entwickelnden Neurose und Bindungsstörung in psychotherapeutische Behandlung werde begeben müssen. Zudem könnten die erlittenen seelischen Störungen, ggf. schon während der Pubertät, zu einer Delinquenz des Kindes führen." So viel Weitsicht, noch dazu aus Naumburg (haben die eine Nachschulung erhalten?) liest man selten von Richterhand.
Die nächste Stufe ist der BGH. Der stellt fest, dass das alles nicht ausreicht, um das Aufenthaltsbestimmungsrecht der Mutter zu entziehen, wie es gemäss §1666 BGB passiert ist. Das Kindeswohl sei zwar gefährdet gewesen, aber das OLG hätte prüfen müssen, ob "mildere" Mittel zur Verfügung stehen, denn ins grundgesetzlich geschützte Elternrecht dürfe so wenig wie möglich eingegriffen werden. In diesem Fall wäre eine Umgangspflegschaft statt Anwendung des §1666 BGB angezeigt gewesen. Nur dann nicht, wenn sie "offensichtlich keinen Erfolg verspricht". Wäre es so, so hat das OLG dies nicht begründet. Das AG hat es allerdings begründet und gesagt, dass eine Umgangspflegschaft nur bei Problemen der Umgangsdurchführung sinnvoll sei, nicht aber bei vorliegender massiver negativer Beeinflussung des Kindes durch die Mutter. Der Verfahrensbeistand hätte bereits versucht, die Umgänge zu begleiten, was bereits gescheitert sei.
Dem BGH genügt dies als Begründung ebenfalls nicht. Man hätte erst beweisen müssen, dass eine Umgangspflegschaft nichts gebracht hätte. Weitere Gutachten sollen eingeholt werden, umfassend, weitreichend, ausgiebig.
So geht es noch eine Weile weiter. Der BGH beruft sich dafür u.a. auf Literatur unseres alten Bekannten, "Kastrat Salgo". Unterschrieben von der bekannten Fünferbande in aktueller Besetzung; Dose, Weber-Monecke, Klinkhammer, Schilling, Günter.
In nuce:
- Das grundgesetzliche Elternrecht der Mutter (nicht des Vaters!) steht auch in krassen Fällen über dem Kindeswohl
- Nicht das beste, zielführendste oder wirksamste Mittel ist zu wählen, um das Kindeswohl zu gewährleisten, sondern das Mildeste
- die Untauglichkeit der Mittel gegen schlimmste und offensichtlichste seelische Vergewaltigung eines Kindes und die Amputation des Vaters durch die Mutter müssten erst bewiesen werden, Gutachten und die üblichen Gerichtsspiele müssen erst produziert werden, ob wegen der Dauer dieser Vorgänge das Kind endgültig "in den Brunnen fällt" spielt keine Rolle.
Elternteilen, die über Gerichte versuchen, etwas zu erreichen kann man danach eigentlich keinen Rat mehr geben, ausser dass sie sich auf einen sehr langen und sehr teuren Weg einstellen müssen, an deren Ende alle Entscheidungen ohnehin zu spät kommen. Bei solchen Entscheidungen denke ich unwillkürlich an den Umgang mit verweigernden Elternteilen in einigen anderen Ländern. Was für ein extremer Kontrast. Ich denke auch an die denkwürdige Begründung im denkwürdigen Entscheid des BVerfG zum gemeinsamen Sorgerecht, in der Müttern ohne Trauschein höchstrichterlich bescheinigt wurde, sich grundsätzlich nur aus Kindeswohlerwägungen gegen das gemeinsame Sorgerecht zu entscheiden, deshalb sei es okay, es ihnen grundsätzlich alleine zu geben.
Volltext hier: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bi...ame=4&.pdf
Vorinstanzen AG Zerbst und OLG Naumburg
Der BGH hat sich mal zur Abwechslung mit Umgangsvereitelung beschäftigt - das wird selten bis zum BGH durchgelassen. Der betreffende Teil des Leitsatzes sagt schon viel aus:
"Zur Beseitigung einer Gefährdung des Kindeswohls (hier: Umgangsvereitelung und massive Beeinflussung des Kindes durch die allein sorgeberechtigte Mutter gegen den Vater) darf nur das mildeste Mittel gewählt werden. Vor Entziehung des - gesamten - Aufenthaltsbestimmungsrechts wegen Umgangsvereitelung ist eine Umgangspflegschaft einzurichten. Davon kann nur bei offensichtlicher Aussichtslosigkeit abgesehen werden."
Es folgen 20 Seiten Begründungen. Man kann es kaum in knappen Worten zusammenfassen.
Kind geboren im Jahr 2000, Trennung 2009, Mutter alleinsorgeberechtigt weil Kind nichtehelich, so wie es in diesem Bundesland üblich ist. Kind ist nur am Wochenende bei der Mutter, unter der Woche bei der Grossmutter. Zum Vater schreibt das Gericht:
"Der Vater versuchte nach der Trennung wiederholt, Umgang mit dem Kind zu erhalten. Auf seinen Antrag wurde ein Umgangsverfahren vor dem Familiengericht durchgeführt. Trotz einer von den Eltern getroffenen vorläufigen Vereinbarung, eines später gegen die Mutter verhängten Ordnungsgeldes sowie einer anschließenden gerichtlichen Umgangsregelung kamen Umgangskontakte nicht zustande. Das Scheitern lag im Wesentlichen in der ablehnenden Haltung der Mutter begründet, die dem Kind wegen seines Wunsches nach Kontakt mit dem Vater unter anderem massive Vorhaltungen gemacht hatte und auch einen begleiteten Umgang im Jugendamt ablehnte. Weitere Vermittlungsbemühungen und -vorschläge blieben ohne Erfolg."
Die Grossmutter blockiert auch fleissig mit, verweigert radikal die Anhörung des Kindes. Das AG ist nicht untätig, es droht mit Sorgerechtsentzug und holt zur Erziehungsfähigkeit der Mutter ein familienpsychologisches Sachverständigengutachten ein. Darauf werden Teile des Sorgerechts auf einen Pfleger des Jugendamts übertragen, der bringt es in ein Heim der Jugendhilfe. Dort will es bleiben, es freut sich sehr, nicht mehr bei der Mutter/Grossmutter zu wohnen, weil es sich dort extrem unter Druck gesetzt und manipuliert fühlt. Kontakte zum Vater sollen angebahnt werden.
Mutter klagt sich die Instanzen hoch. Verliert beim OLG, denn "der massive Interessenkonflikt der Kindeseltern habe bereits deutliche und für das Kindeswohl nachteilige seelische Auswirkungen auf das Kind gehabt, sodass bereits von einem Schaden für das Kind gesprochen werden könne. Das Oberlandesgericht hat sich auf das Sachverständigen - Gutachten bezogen, nach dem das Kind auch nach der Trennung eine tiefe und eigentlich positive emotionale Bindung zum Vater habe, der sich früher ebenfalls intensiv um die Betreuung des Kindes gekümmert habe. Diese Bindung werde aber von der Mutter, die die Trennung vom Vater emotional immer noch nicht überwunden habe und diesem negativ gegenüberstehe, abgelehnt, was sie auch durch ihr Verhalten dem Kind gegenüber zum Ausdruck bringe. Bei der Mutter, die den Vater im Beisein des Kindes auf das Übelste beschimpft habe, sei eine massive Verweigerungshaltung gegenüber den Kontakten zwischen Vater und Kind vorhanden." und so geht es noch eine Weile weiter, ist wirklich lesenswert weil das OLG auch auf die weitere Entwicklung des Kindes eingeht, z.B. "Diese Situation würde dazu führen, dass das Kind sich im Alter von 20 bis 25 Jahren wegen des erlittenen Bindungsverlustes und einer sich hieraus wahrscheinlich entwickelnden Neurose und Bindungsstörung in psychotherapeutische Behandlung werde begeben müssen. Zudem könnten die erlittenen seelischen Störungen, ggf. schon während der Pubertät, zu einer Delinquenz des Kindes führen." So viel Weitsicht, noch dazu aus Naumburg (haben die eine Nachschulung erhalten?) liest man selten von Richterhand.
Die nächste Stufe ist der BGH. Der stellt fest, dass das alles nicht ausreicht, um das Aufenthaltsbestimmungsrecht der Mutter zu entziehen, wie es gemäss §1666 BGB passiert ist. Das Kindeswohl sei zwar gefährdet gewesen, aber das OLG hätte prüfen müssen, ob "mildere" Mittel zur Verfügung stehen, denn ins grundgesetzlich geschützte Elternrecht dürfe so wenig wie möglich eingegriffen werden. In diesem Fall wäre eine Umgangspflegschaft statt Anwendung des §1666 BGB angezeigt gewesen. Nur dann nicht, wenn sie "offensichtlich keinen Erfolg verspricht". Wäre es so, so hat das OLG dies nicht begründet. Das AG hat es allerdings begründet und gesagt, dass eine Umgangspflegschaft nur bei Problemen der Umgangsdurchführung sinnvoll sei, nicht aber bei vorliegender massiver negativer Beeinflussung des Kindes durch die Mutter. Der Verfahrensbeistand hätte bereits versucht, die Umgänge zu begleiten, was bereits gescheitert sei.
Dem BGH genügt dies als Begründung ebenfalls nicht. Man hätte erst beweisen müssen, dass eine Umgangspflegschaft nichts gebracht hätte. Weitere Gutachten sollen eingeholt werden, umfassend, weitreichend, ausgiebig.
So geht es noch eine Weile weiter. Der BGH beruft sich dafür u.a. auf Literatur unseres alten Bekannten, "Kastrat Salgo". Unterschrieben von der bekannten Fünferbande in aktueller Besetzung; Dose, Weber-Monecke, Klinkhammer, Schilling, Günter.
In nuce:
- Das grundgesetzliche Elternrecht der Mutter (nicht des Vaters!) steht auch in krassen Fällen über dem Kindeswohl
- Nicht das beste, zielführendste oder wirksamste Mittel ist zu wählen, um das Kindeswohl zu gewährleisten, sondern das Mildeste
- die Untauglichkeit der Mittel gegen schlimmste und offensichtlichste seelische Vergewaltigung eines Kindes und die Amputation des Vaters durch die Mutter müssten erst bewiesen werden, Gutachten und die üblichen Gerichtsspiele müssen erst produziert werden, ob wegen der Dauer dieser Vorgänge das Kind endgültig "in den Brunnen fällt" spielt keine Rolle.
Elternteilen, die über Gerichte versuchen, etwas zu erreichen kann man danach eigentlich keinen Rat mehr geben, ausser dass sie sich auf einen sehr langen und sehr teuren Weg einstellen müssen, an deren Ende alle Entscheidungen ohnehin zu spät kommen. Bei solchen Entscheidungen denke ich unwillkürlich an den Umgang mit verweigernden Elternteilen in einigen anderen Ländern. Was für ein extremer Kontrast. Ich denke auch an die denkwürdige Begründung im denkwürdigen Entscheid des BVerfG zum gemeinsamen Sorgerecht, in der Müttern ohne Trauschein höchstrichterlich bescheinigt wurde, sich grundsätzlich nur aus Kindeswohlerwägungen gegen das gemeinsame Sorgerecht zu entscheiden, deshalb sei es okay, es ihnen grundsätzlich alleine zu geben.