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BGH in Az XII ZB 247/11: Massnahmen gegen massive Umgangsvereitelung nicht erlaubt
#1
Beschluss des BGB vom 26.10.2011, Aktenzeichen XII ZB 247/11
Volltext hier: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bi...ame=4&.pdf
Vorinstanzen AG Zerbst und OLG Naumburg


Der BGH hat sich mal zur Abwechslung mit Umgangsvereitelung beschäftigt - das wird selten bis zum BGH durchgelassen. Der betreffende Teil des Leitsatzes sagt schon viel aus:

"Zur Beseitigung einer Gefährdung des Kindeswohls (hier: Umgangsvereitelung und massive Beeinflussung des Kindes durch die allein sorgeberechtigte Mutter gegen den Vater) darf nur das mildeste Mittel gewählt werden. Vor Entziehung des - gesamten - Aufenthaltsbestimmungsrechts wegen Umgangsvereitelung ist eine Umgangspflegschaft einzurichten. Davon kann nur bei offensichtlicher Aussichtslosigkeit abgesehen werden."

Es folgen 20 Seiten Begründungen. Man kann es kaum in knappen Worten zusammenfassen.

Kind geboren im Jahr 2000, Trennung 2009, Mutter alleinsorgeberechtigt weil Kind nichtehelich, so wie es in diesem Bundesland üblich ist. Kind ist nur am Wochenende bei der Mutter, unter der Woche bei der Grossmutter. Zum Vater schreibt das Gericht:

"Der Vater versuchte nach der Trennung wiederholt, Umgang mit dem Kind zu erhalten. Auf seinen Antrag wurde ein Umgangsverfahren vor dem Familiengericht durchgeführt. Trotz einer von den Eltern getroffenen vorläufigen Vereinbarung, eines später gegen die Mutter verhängten Ordnungsgeldes sowie einer anschließenden gerichtlichen Umgangsregelung kamen Umgangskontakte nicht zustande. Das Scheitern lag im Wesentlichen in der ablehnenden Haltung der Mutter begründet, die dem Kind wegen seines Wunsches nach Kontakt mit dem Vater unter anderem massive Vorhaltungen gemacht hatte und auch einen begleiteten Umgang im Jugendamt ablehnte. Weitere Vermittlungsbemühungen und -vorschläge blieben ohne Erfolg."

Die Grossmutter blockiert auch fleissig mit, verweigert radikal die Anhörung des Kindes. Das AG ist nicht untätig, es droht mit Sorgerechtsentzug und holt zur Erziehungsfähigkeit der Mutter ein familienpsychologisches Sachverständigengutachten ein. Darauf werden Teile des Sorgerechts auf einen Pfleger des Jugendamts übertragen, der bringt es in ein Heim der Jugendhilfe. Dort will es bleiben, es freut sich sehr, nicht mehr bei der Mutter/Grossmutter zu wohnen, weil es sich dort extrem unter Druck gesetzt und manipuliert fühlt. Kontakte zum Vater sollen angebahnt werden.

Mutter klagt sich die Instanzen hoch. Verliert beim OLG, denn "der massive Interessenkonflikt der Kindeseltern habe bereits deutliche und für das Kindeswohl nachteilige seelische Auswirkungen auf das Kind gehabt, sodass bereits von einem Schaden für das Kind gesprochen werden könne. Das Oberlandesgericht hat sich auf das Sachverständigen - Gutachten bezogen, nach dem das Kind auch nach der Trennung eine tiefe und eigentlich positive emotionale Bindung zum Vater habe, der sich früher ebenfalls intensiv um die Betreuung des Kindes gekümmert habe. Diese Bindung werde aber von der Mutter, die die Trennung vom Vater emotional immer noch nicht überwunden habe und diesem negativ gegenüberstehe, abgelehnt, was sie auch durch ihr Verhalten dem Kind gegenüber zum Ausdruck bringe. Bei der Mutter, die den Vater im Beisein des Kindes auf das Übelste beschimpft habe, sei eine massive Verweigerungshaltung gegenüber den Kontakten zwischen Vater und Kind vorhanden." und so geht es noch eine Weile weiter, ist wirklich lesenswert weil das OLG auch auf die weitere Entwicklung des Kindes eingeht, z.B. "Diese Situation würde dazu führen, dass das Kind sich im Alter von 20 bis 25 Jahren wegen des erlittenen Bindungsverlustes und einer sich hieraus wahrscheinlich entwickelnden Neurose und Bindungsstörung in psychotherapeutische Behandlung werde begeben müssen. Zudem könnten die erlittenen seelischen Störungen, ggf. schon während der Pubertät, zu einer Delinquenz des Kindes führen." So viel Weitsicht, noch dazu aus Naumburg (haben die eine Nachschulung erhalten?) liest man selten von Richterhand.

Die nächste Stufe ist der BGH. Der stellt fest, dass das alles nicht ausreicht, um das Aufenthaltsbestimmungsrecht der Mutter zu entziehen, wie es gemäss §1666 BGB passiert ist. Das Kindeswohl sei zwar gefährdet gewesen, aber das OLG hätte prüfen müssen, ob "mildere" Mittel zur Verfügung stehen, denn ins grundgesetzlich geschützte Elternrecht dürfe so wenig wie möglich eingegriffen werden. In diesem Fall wäre eine Umgangspflegschaft statt Anwendung des §1666 BGB angezeigt gewesen. Nur dann nicht, wenn sie "offensichtlich keinen Erfolg verspricht". Wäre es so, so hat das OLG dies nicht begründet. Das AG hat es allerdings begründet und gesagt, dass eine Umgangspflegschaft nur bei Problemen der Umgangsdurchführung sinnvoll sei, nicht aber bei vorliegender massiver negativer Beeinflussung des Kindes durch die Mutter. Der Verfahrensbeistand hätte bereits versucht, die Umgänge zu begleiten, was bereits gescheitert sei.

Dem BGH genügt dies als Begründung ebenfalls nicht. Man hätte erst beweisen müssen, dass eine Umgangspflegschaft nichts gebracht hätte. Weitere Gutachten sollen eingeholt werden, umfassend, weitreichend, ausgiebig.

So geht es noch eine Weile weiter. Der BGH beruft sich dafür u.a. auf Literatur unseres alten Bekannten, "Kastrat Salgo". Unterschrieben von der bekannten Fünferbande in aktueller Besetzung; Dose, Weber-Monecke, Klinkhammer, Schilling, Günter.

In nuce:

- Das grundgesetzliche Elternrecht der Mutter (nicht des Vaters!) steht auch in krassen Fällen über dem Kindeswohl

- Nicht das beste, zielführendste oder wirksamste Mittel ist zu wählen, um das Kindeswohl zu gewährleisten, sondern das Mildeste

- die Untauglichkeit der Mittel gegen schlimmste und offensichtlichste seelische Vergewaltigung eines Kindes und die Amputation des Vaters durch die Mutter müssten erst bewiesen werden, Gutachten und die üblichen Gerichtsspiele müssen erst produziert werden, ob wegen der Dauer dieser Vorgänge das Kind endgültig "in den Brunnen fällt" spielt keine Rolle.



Elternteilen, die über Gerichte versuchen, etwas zu erreichen kann man danach eigentlich keinen Rat mehr geben, ausser dass sie sich auf einen sehr langen und sehr teuren Weg einstellen müssen, an deren Ende alle Entscheidungen ohnehin zu spät kommen. Bei solchen Entscheidungen denke ich unwillkürlich an den Umgang mit verweigernden Elternteilen in einigen anderen Ländern. Was für ein extremer Kontrast. Ich denke auch an die denkwürdige Begründung im denkwürdigen Entscheid des BVerfG zum gemeinsamen Sorgerecht, in der Müttern ohne Trauschein höchstrichterlich bescheinigt wurde, sich grundsätzlich nur aus Kindeswohlerwägungen gegen das gemeinsame Sorgerecht zu entscheiden, deshalb sei es okay, es ihnen grundsätzlich alleine zu geben.

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#2
Erstaunlich, wie schnell totalverweigernde Mütter bis zum BGH emporklimmen, während mit entsorgten Vätern regelmäßig Ping-Pong, zwischen AG und OLG gespielt wird.
Und dann auch noch erfolgreich, als Leitsatzentscheidung geführt.

Die politische Kasper-Kaste scheint das auch nicht sonderlich zu interessieren, oder gab es aus der heraus einen kritischen Kommentar, den ich bisher nur verpasst habe?
16.02.2012, BILD: "Das Halbwahre ist verderblicher als das Falsche." (Ernst Freiherr von Feuchtersleben)
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#3
Es gibt kritische Kommentare. Zum Beispiel von einem Anwalt:

http://anonym.to/?http://www.anwalt-will...ntzug.html

"Dieser Fall zeigt exemplarisch wie hilfslos Gerichte mit Umgangsvereitelungen umgehen. Das Verfahren hat mindestens 1 - 1 /2 Jahre gedauert. In dieser Zeit hat das Kind den Vater nicht sehen können. Sogar während des Gerichtstermins hatte die Grossmutter des Kindes dem Gericht den Zutritt zum Kind verweigert, obwohl das Kind angehört werden sollte. Trotz der wiederholten und massiven Umgangsverweigerungen, hat sich der BGH hier auf den Standpunkt gestellt, das OLG müsse mittels eines Sachverständigengutachtens - welches sicherlich wiederum mehrere Monate in Anspruch nehmen wird - diverse Fragen klären. Leider hat Gericht nicht mit einer Silbe den Gerichten Hinweise gegeben, wie in der Zwischenzeit den Umgang zwischen Kind und Vater sicherstellen sollen. Aus Sicht des Umgangsberechtigten ist diese Entscheidung mehr als unverständlich."

Ehrlicher wäre es, §1684 BGB einfach zu streichen und durch den DDR-Paragrafen zum Umgang bei Nichtehelichen zu ersetzen: "Über den Kontakt des Kindes zum Vater entscheidet die Mutter".
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#4
(19-12-2011, 22:35)p schrieb: "Dieser Fall zeigt exemplarisch wie hilfslos Gerichte mit Umgangsvereitelungen umgehen."
Hilflos ist gut.
Die sind so hilflos wie Täter gegenüber ihrem Opfer.
Das sind Verbrecher aus Leidenschaft.
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#5
"Hilflos" passt genau. Hilf-los. So wie Sinn-los, Alternativ-los, freud-los. Ohne Freude, ohne Alternative, ohne Sinn und ohne Hilfe. Sie wird verweigert. Auf so ein Gericht können wir verzichten. Loswerden, gerichts-los.

Das Urteil hat noch einige andere Aspekte, ich wollte das Posting nur nicht noch mehr aufblähen. Peinlich ist z.B. auch der dauernde explizite Verweis auf die Elternrechte laut Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, die gegen den Einsatz des §1666 BGB durch den BGH in Stellung gebracht werden.

Der Witz daran ist, das der Antragsgegner nicht der Vater, sondern das Jugendamt war. Dem Vater sind nämlich seinerseits so wenig Elternrechte zugestanden, dass der nicht einmal selber klagen durfte, er hat ja kein Sorgerecht und damit auch keine Befugnis für Anträge, die das ABR seines Kindes betreffen. Nur in den vorausgehenden Umgangsverfahren durfte er klagen. Hier schmilzt das so getragen und gewichtig vorgebrachte grundgesetzliche (!) Elternrecht urplötzlich auf ein unsichtbares kleines Nichts zusammen, sobald es um den Vater geht. Bei der Mutter wird es so riesig, dass sogar ihr Missbrauch des Kindes und ihre Erziehungsunfähigkeit durch ihr "Elternrecht" übertönt werden dürfen, Dank BGH-Richter.
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#6
(19-12-2011, 23:28)p schrieb: "Hilflos" passt genau. Hilf-los. So wie Sinn-los, Alternativ-los, freud-los.
Eben!
Ich bin ja grundsätzlich für eine einfachere und verständlichere Gesetzgebung. Daher gehört für mich §1684 Satz 5 ins BGB.

"Wenn die Mutter den Umgang des Vaters mit dem Kind mißbilligt oder verweigert, ist das Kindeswohl durch die Zahlung des Kindesunterhalts durch den Vater Genüge getan. Eine (umfassende) Billigkeitsabwägung durch das Familiengericht entfällt."

Piff, paff, puff... Alles klar verständlich, keine Mißverständnisse und kein Elternstreit mehr.

Tongue
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#7
Tse, "das Imperium schlägt zurück...." Liest man die Neuigkeiten im Forum, hat man den Eindruck, dass gegen die Väter derzeit versucht wird, vollendete Tatsachen zu schaffen.
Wehte Ihnen etwa mittlerweile etwas "Väter-Wind" in's Gesicht und sah man vielleicht die Pfründe der Helferindustrie davon schwinden?
Der "Mutterkult" überlagert jetzt jede rationale und vernünftige Denkweise! Das Kindeswohl ist zur Lachnummer verkommen und ich schlage vor, Väter offiziell als Drone des Bienenstocks bezeichnen zu dürfen, die nach getaner Arbeit im Herbst umgebracht werden.
Man könnte Väter dazu verpflichten, eine Risiko-LV für die Ex ab zu schließen, um nach erfolgtem freiwilligem Ableben und 3-jähriger Karenzzeit, die Mamma versorgt zu wissen.

Deutschland ist dem Untergang geweiht !

Sagt die Erde zur Sonne : "Ich habe Homo Sapiens"
Sagt die Sonne zur Erde : "Das geht vorbei!"

P.S.: Heute hat mich ein Kunde (der ein ähnlich gelagertes Problem hat) gefragt, ob ich daran Schuld sei, dass der Amstrichter XXX jetzt wegen "Burnout" zuhause bleibt.

HAHAHA
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