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BVerfG 1 BvR 1868/08: Sorgerechtsentzug trotz Wechselmodell abgelehnt
#1
BVerfG Beschluss vom 30.06.2009 - 1 BvR 1868/08
Volltext: http://www.bverfg.de/entscheidungen/rk20...86808.html


Die streitenden Eltern haben zwei Kinder, Vater war immer sehr engagiert, sie trennen sich, wohnen aber in derselben Strasse, vor dem Amtsrichter vereinbaren sie im Oktober 2006 das Wechselmodell.

Der Mutter passt das aber nicht, sie beantragt die Alleinsorge, hilfsweise das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Das Amtsgericht lehnt ab, bestätigt die bisherige Regelung in etwa. Die Alleinsorge der Mutter würde dem Kindeswohl nicht am besten entsprechen. Die Eltern hätten es bisher schliesslich hinreichend gut hinbekommen. Die Konflikte seien zwar da, aber eine Mediation und damit Verbesserungen sei möglich.

Der Mutter passt das wieder nicht, sie geht zum OLG Brandburg. Und endlich, der Volltreffer! Sorgerecht bekommt die Mutter allein. Was für ein Unterschied trotz identischer Fakten. Das Gericht attestiert dem Vater in einer mehrstündigen Sitzung "diktatorisch anmutende, egozentrische und wenig partnerschaftliche Verhaltensweisen, denen die Kindesmutter wenig entgegenzusetzen habe und auf die sie mit Rückzug und Vermeidungsstrategien reagiere". Ist schon ein interessanter "Rückzug", das alleinige Sorgerecht zu beantragen! Das Gericht feuert die tollsten Sätze ab: "Ausschlaggebend für die Entscheidung könne deshalb nur der Gesichtspunkt sein, der Dominanz des Beschwerdeführers in der Elternbeziehung ein rechtliches Gegengewicht gegenüber zu stellen, indem die rechtliche Position der Kindesmutter im Elternkonflikt verstärkt werde.". Interessanterweise meint das Gericht aber, das Wechselmodell solle weitergeführt werden. Eine ziemlich widersprüchliche Entscheidung.

Darauf die Verfassungsbeschwerde des Vaters. Er rügt, dass die Sorge nicht aus Kindeswohlgründen übertragen wurde, sondern wegen seiner angeblichen Dominanz. Ausserdem würde das Wechselmodell gut funktionieren, das beweise dass die Eltern gemeinsam in der Lage sind, zum Wohl der Kinder zu handeln. Die Kinder erklären ausdrücklich, das weiterführen zu wollen. Er nennt noch weitere Gründe.

Das BVerfG erklärt das Urteil des OLGs für verfassungswidrig und zwar mit einer vollen Argumentationsbreitseite. Die Begründung des OLGs wäre nicht nachvollziehbar, es habe weder das Ergebnis des Sachverständigengutachtens, noch die tatsächliche Betreuungs- und Lebenssituation der Kinder, noch deren bekundeten Willen auf Fortbestand der bestehenden Betreuungs- und Lebenssituation hinreichend berücksichtigt. Es folgen noch etwa fünf weitere sehr griffige Begründungen. Im Grund sagt das BVerfG, dass die OLG Richter total gepennt hätten, kein Gutachten gelesen, falsche Schlüsse gezogen, höchst einseitig geurteilt hätte und in allem die falschen Mittel gewählt hätte. Den Richtern wird rundweg der Kopf gewaschen.

Zum Schluss der Kostenentscheid, bei dem das BVerfG sparsam ist. Keine erhöhten Honorare, weil "Weder die objektive Bedeutung der Sache noch Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit hier Besonderheiten aufweisen".


Positiv an der ganzen Sache ist auf jeden Fall, dass kein Gericht das Wechselmodell als solches in Frage gestellt hat. Sie haben sich darum herumbewegt, nur das OLG hat der Mutter die Waffen in die Hand gegeben, es früher oder später zu beenden. Die Amtsrichter haben vorsichtig und sachkundig gearbeitet, an ihnen ist nichts auszusetzen. Das BVerfG stellt genaue Kriterium auf, was unter "Kindeswohl" zu verstehen ist und ruft noch einmal die grundsätzlichen Begründungen für Sorgerechtsentzüge auf, die beim OLG offenbar komplett in Vergessenheit geraten sind. Insgesamt wieder eine der vielen Entscheidungen, die zwar nichts verbessert, aber die Erosion und Verschlechterung tieferer Instanzen stoppt.
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#2
(09-10-2009, 19:09)p schrieb: Positiv an der ganzen Sache ist auf jeden Fall, dass ...
...das OLG Brandenburg wieder einmal abgewatscht wurde!
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#3
Das Fazit von Frauenberatungsstellen (auch AnwältInnen) kann nur sein, dass verstärkt die Vorteile eines zeitnahen Fortzuges, aus den Klauen des "Diktators", mit den Kindern, zu vermitteln und zu unterstützen ist.

Meine Exe wurde auch so gut beraten und zog, entgegen meinem Vorschlag, weg von Platz 3, nach Platz 25.

Wie ihre Entscheidung selbst, war die Begründung hierzu ebenso dämlich wie irgendein Beschluss eines OLG Brandenburg: Schadet nicht dem Kindeswohl und die Aussicht auf einen Arbeitsplatz ist dort besser.
Nun muss sie schon mehrere Jobs annehmen um leidlich über die Runden zu kommen.
Ja meine Gute, das Leben ist kein Picknick.

Insoweit ist dieser Beschluss kein Grund sich über irgendwas nachhaltig freuen oder beömmeln zu können.

Als bedauerlich empfinde ich, dass, entgegen der Verfassungsbeschwerde,
Zitat:Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts mit der Rüge der Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 3 und Art. 6 GG.
das BVerfG im Beschluss keine Silbe zum Art. 3 GG von sich gibt, selbst wenn dies hier als nicht berührt angesehen wird.

Den Beschluss des OLG Brandenburg habe ich auf deren Seite nicht finden können.
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#4
@p
ich frage mich immer nur, wer die horrenden anwalts- und gerichtskosten trägt und wer hat dazu denn überhaupt das geld? umso erstaunlicher ist es, dass doch einige väter alle finanziellen mittel mobilisieren und den rechtsweg bis zum letzten gehen. es zeigt eben auch, wie väter zum teil abgefertigt und beleidigt werden - dominaz ist oft nichts anderes als entschlossenheit und das sind an sich gute eigenschaften. seine dominaz reichte jedenfalls bis zum BVerfG.
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#5
(09-10-2009, 21:41)Bluter schrieb: Den Beschluss des OLG Brandenburg habe ich auf deren Seite nicht finden können.

Auf deren Seite steht ja auch: "Es sind aber nur Entscheidungen enthalten, die von den Gerichten für veröffentlichungswürdig gehalten werden." Big Grin
Aber auch:
In dieser Datenbank nicht enthaltene Entscheidungen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts können Sie unter Angabe Ihrer Postanschrift schriftlich oder per E-Mail (Dezernat8@olg.brandenburg.de) anfordern (ggf. gebührenpflichtig).
Habe die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die du nicht ändern kannst.
Habe den Mut, Dinge zu ändern, die du ändern kannst,
und habe die Weisheit, das Eine von dem Anderen zu unterscheiden.
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#6
(09-10-2009, 21:41)Bluter schrieb: Als bedauerlich empfinde ich, dass, entgegen der Verfassungsbeschwerde,
Zitat:Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts mit der Rüge der Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 3 und Art. 6 GG.
das BVerfG im Beschluss keine Silbe zum Art. 3 GG von sich gibt, selbst wenn dies hier als nicht berührt angesehen wird.

Bedauerlich, aber linientreu.
Salgos lila-Pudel-Club (BVerfG) existiert nur, weil die djb-Vorgabe lautet:
Ab BGB §1564ff bleibt das Grundgesetz draußen!

Und daran hält sich der Mann einfach konsequent.

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