Themabewertung:
  • 0 Bewertung(en) - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
BGH 4.5.2011: Abänderung Unterhaltstitel, Ausbildung machen statt Unterhalt zahlen
#1
Urteil des Bundesgerichtshofs vom 4.5.2011, Az. XII ZR 70/09
Volltext: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bi...ame=4&.pdf
Vorinstanz OLG Braunschweig AG Wolfsburg

Leitsatz:

a) Für die Abänderung einer Jugendamtsurkunde über den Kindesunterhalt ist in Verfahren, die vor dem 1. September 2009 eingeleitet wurden, die Abänderungsklage nach § 323 Abs. 4 ZPO zulässig.
b) Die vom Unterhaltsberechtigten begehrte Abänderung einer einseitig erstellten Jugendamtsurkunde setzt keine Änderung der ihr zugrunde liegenden Umstände voraus. Im Rahmen eines Abänderungsbegehrens durch den Unterhaltspflichtigen ist hingegen die Wirkung eines in der Urkunde liegenden Schuldanerkenntnisses zu berücksichtigen, was geänderte Umstände seit Abgabe des Schuldanerkenntnisses voraussetzt (im Anschluss an das Senatsurteil vom 3. Dezember 2008 - XII ZR 182/06 - FamRZ 2009, 314 und den Senats- beschluss vom 14. Februar 2007 - XII ZB 171/06 - FamRZ 2007, 715).
c) Die Erstausbildung gehört zum eigenen Lebensbedarf des Unterhaltspflichtigen, den dieser grundsätzlich auch bei gesteigerter Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern vorrangig befriedigen darf (im Anschluss an das Senatsurteil vom 15. Dezember 1993 - XII ZR 172/92 - FamRZ 1994, 372).
d) Auch der betreuende Elternteil i. S. von § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB kann ein anderer leistungsfähiger Verwandter i. S. von § 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB sein. Dem barunterhaltspflichtigen Elternteil kann der angemessene Selbstbehalt belassen bleiben, wenn der Kindesunterhalt von dem betreuenden Elternteil unter Wahrung dessen angemessenen Selbstbehalts gezahlt werden kann und ohne seine Beteiligung an der Barun- terhaltspflicht ein erhebliches finanzielles Ungleichgewicht zwischen den Eltern entstünde (im Anschluss an das Senatsurteil vom 31. Oktober 2007 - XII ZR 112/05 - FamRZ 2008, 137).


Zum Leitsatz b) und dem dahinterstehenden Fall muss man nicht viel sagen, hier leuchtet das reinrassige Unterhaltsmaximierungsprinzip der Gerichte auf. Der Unterhaltspflichtige muss immer beweisen und begründen, warum er einen Titel abgeändert haben will; der Unterhaltsempfänger benötigt keinerlei Begründung. Mit anderen Worten: Nach oben schrankenlos immer, nach unten grundsätzlich nie.

Der Fall ist verwickelt, die Mutter bekommt sehr jung zwei Kinder, eines behindert, macht erst danach einen Hauptschulabschluss, schwankt jahrelang immer zwischen Gammelei und Geringverdiener, dann möchte sie mit fast 30 doch noch eine Ausbildung zu machen. Für die beiden Kinder bekommt ab 2004 der Vater das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Der Vater verdient netto zwischen ca. 1600 und 1900 EUR.

Die Mutter unterschrieb einen Jugendamtstitel in geringer Höhe, über die gestritten wurde. Interessanterweise nur für ein Kind, denn das behinderte Kind sei nicht unterhaltsbedürftig, es lebt teilweise in einer Behinderteneinrichtung und erhält Leistungen nach §§ 53 ff. SGB XII, für die beim Vater Rückgriff genommen wird. Mutti muss nichts zahlen!

Der Vorrang der Ausbildung vor Unterhaltszahlungen ist soweit okay, abgesehen davon dass sich bei pflichtigen Vätern dieses Prinzip plötzlich in Luft auflöst.

"Der Vater der Beklagten sei als anderer leistungsfähiger Verwandter im Sinne von § 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB zu behandeln, so dass die Klägerin nicht auf ihren notwendigen Selbstbehalt, sondern lediglich auf den angemessenen Selbstbehalt verwiesen werden könne. Ein anderer leistungsfähiger Verwandter könne auch der andere Elternteil des Kindes sein, wenn er in der Lage sei, den Barunterhalt des Kindes ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts zu zahlen. Die Haftung des betreuenden Elternteils dürfe allerdings nicht zu einem finanziellen Ungleichgewicht zwischen den Eltern führen. Der Vater erziele nach Abzug sämtlicher unterhaltsrechtlich zu berücksichtigender Ausgaben Einkünfte, die seinen angemessenen Selbstbehalt deutlich überstiegen. Damit sei er ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Selbstbehalts in der Lage, jedenfalls den Mindestunterhalt des Beklagten zu 1 zu leisten. Ein besonderes Ungleichgewicht zwischen den Eltern entstehe durch die zusätzlichen Barunterhaltspflichten des Vaters nicht."

Die 19 Seiten des Urteilstexts enthalten noch diverse andere Feststellungen, die verschiedene Bereiche ansprechen.
Zitieren


Nachrichten in diesem Thema
BGH 4.5.2011: Abänderung Unterhaltstitel, Ausbildung machen statt Unterhalt zahlen - von p__ - 12-07-2011, 16:03

Möglicherweise verwandte Themen…
Thema Verfasser Antworten Ansichten Letzter Beitrag
  BGH vom 1.6.2011: Kind mitbetreuen statt Betreuungsunterhalt zahlen p__ 4 8.605 14-07-2011, 15:11
Letzter Beitrag: Ibykus
  OLG Celle Az 10 UF 77/08: Väter sollen zahlen statt sich um Kinder kümmern p__ 3 5.858 29-08-2008, 22:07
Letzter Beitrag: Webworker

Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste