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Fachpresse zur Verlängerung des Betreuungsunterhalts, §1615l BGB
#1
Das Zeitschriften-Zentralorgan der deutschen Familienrechtsszene ist die Fachzeitschrift "Familienrechtszeitung" (nicht online lesbar). Daneben gibt es noch ein paar speziellere Blätter, aber in der FamRZ schreiben die meisten Richter, auf dieses Blatt wird am häufigsten referenziert.

Eine der grössten und folgenschwersten Veränderungen der letzten Unterhaltsrechtsreform war die Ausweitung des Unterhaltsanspruchs nicht ehelicher Mütter. In der allgemeinen Presse wurde das komplett unterschlagen und ignoriert. Das passte nicht ins Bild der Reform, wo ja immer nur über weniger Ansprüche gesäuselt wurde, eine so wie bei früheren Reformen bewusst erzeugte Hoffnung, die dann in der Praxis grundsätzlich ins Gegenteil umschlägt. Nicht so die Fachpresse, dort wurde eifrig über den erweiterten Betreuungsunterhalt geschrieben, jubiliert, beurteilt und Unterhaltsgelder im Voraus verteilt. Die Familienrechtszeitung brachte mehrere grosse Artikel (z.B. in Heft 2 und Heft 6/2008), richterverfasst und sehr ausführlich. Danach wurde einem schnell klar, wie die grundsätzliche Ausgestaltung und die Urteile zum Betreuungsunterhalt aussehen werden - und exakt so sahen sie dann auch aus.

Ein paar beleuchtende Punkte aus dieser Richterdenke und den Artikeln möchte ich herausgreifen. Der vorsitzende Richter des OLG Bremen, Wever, beschrieb auf zehn Seiten zum neuen §1615l bereits im März u.a. die ersten Tricks, die man in der Praxis anwenden könne um möglichst lange Unterhalt herauszuschinden: Die Darlegung- und Beweislast für eine Verlängerung über das dritte Lebensjahr hinaus liege zwar bei der Berechtigten, aber man müsse, solange das Kind noch nicht das achte Lebensjahr erreicht habe, die Anforderungen an diese Beweisführung abmildern. Bei den elternbezogenen Gründen für eine Verlängerung meint er, eine auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft sei ein Gradmesser für die Begründung eines Vertrauenstatbestandes und auch die Übernahme der gemeinsamen elterlichen Sorge. Mein Kommentar: So wird das Sorgerecht zum Unterhaltsbooster. Umgekehrt sollten Väter, denen das Sorgerecht verweigert wurde und die um Mütterunterhalt angegangen werden, auf diesen Punkt hinweisen. Wenn die Mutter aber kindbezogene Gründe vorweist, bringt das nichts.

Auch andere Fallkonstellationen führen zur Verlängerung. Zum Beispiel, wenn es sich richtig fett lohnt, den Vater kräftig auszunehmen: "...vertretbar wird es sein, besonders gute wirtschaftliche Verhältnisse im Rahmen der zu treffenden Billigkeitsentscheidung zu berücksichtigen". Ozapft is' das volle Fass, lasst es laufen und jubilieret! Aber: "Neu überdacht werden muss die Frage, ob der Vater (...) entgegenhalten kann, dass die Mutter ihm empfängnisverhütende Massnahmen vorgetäuscht hat". Nanü, ein Hauch der für mausetot und ganz unzulässig erklärten Schuldfrage beim Betreuungsunterhalt? Dann wäre Männern zu empfehlen, sich vor jedem Geschlechtsverkehr schriftlich bestätigen zu lassen, dass die Frau sich bereit erklärt hatte, wirksam für Verhütung zu sorgen.

Eine zeitliche Befristung wird abgelehnt: "...nur, wenn sich eine verlässliche Prognose für die Dauer des Vorliegens der Anspruchsvoraussetzung treffen lässt. Dies wird meist dann nicht der Fall sein, wenn kindbezogene Gründe Anlass für die Verlängerung sind". Anders gesagt, man zwingt trotz der Beweispflicht der Mutter doch wieder die Väter, immer wieder von Neuem, der Rechtspflege Umsätze zu bescheren und Klagen auf Herabsetzung durchzuführen. Faktisch bedeutet das eine Beweislastumkehr und ein Ticket für unbegrenzten Unterhalt sowie jedesmal dicke Anwalts- und Gerichtskostenrechnungen, was freilich kein Jurist kritisieren wird sondern nur fett grinsend den Geldbeutel öffnet um abzukassieren - Geld, das eigentlich für Eltern und Kinder da sein müsste.

Wever führt dann eine lange Beispielrechnung vor. Papi mit 3000 EUR netto, zwei Kinder, Ex und Kindsmutter. Natürlich Mangelfall, egal wie sehr hin und hergerechnet wird. 3000 EUR ist ja nix, soll er sich mal anstrengen, der Drückeberger.

Wenn es der Mutter Vorteile einbringt, wird ihr Betreuungsunterhalt rechtlich so wie Ehegattenunterhalt einer Ehefrau behandelt, wenn es Nachteile einbringt dann so wie der vorteilhaftere Verwandtenunterhalt. So kann die Mutter einerseits "beweisen", dass sie wegen Kinderbetreuung nicht arbeiten kann, Unterhalt kassieren, dann aber doch arbeiten und diesen Arbeitslohn grösstenteils als überobligatorisch mit ihrem Unterhaltseinkommen einsacken (§1577 BGB). Auch der Selbstbehalt des nichtehelichen Vaters wurde auf das niedrige Niveau eines Geschiedenen abgesenkt. Jedoch: Im Gegensatz zu den Regelungen beim Ehegattenunterhalt haften die Erben beim Tod des Verpflichteten in voller Höhe unbeschränkt (§1615n BGB) für den Betreuungsunterhalt. Das führt zu der grotesken Situation, dass die Mutter weiter Unterhalt für sich verlangen kann, während das Kind mit dem Tod des Vaters keinen Unterhalt mehr bekommt (§1615 BGB), ja sogar der eigenen Mutter Unterhalt bezahlen muss! Nachteile für den verpflichteten Vater beim Betreuungsunterhalt bestehen auch bei Unterhaltsforderungen für die Vergangenheit, beim Anspruch eines betreuenden Vaters für die ersten acht Wochen nach der Geburt sowie gravierende Nachteile bei der steuerlichen Behandlung, nämlich Verweigerung des begrenzten Realsplittings.

Das Juristenpack hat es nun also schliesslich und endlich geschafft, nichteheliche Mütter besser zu stellen wie die mit Trauschein. Ganz konsequent im Sinne des Unterhaltsmaximierungsprinzips, bilden sie schliesslich in immer mehr Bundesländern die Mehrheit. Ganz zum Schluss, als letzten Satz spricht Wever schliesslich sehr vorsichtig formuliert von der "wünschenswerten Akzeptanz aller Betroffenen", weswegen man zurückhaltend sein solle. Wie nett, wenn man schon mit keinem Wort Väter erwähnt.

Richter Meier vom OLG Hamm, ein glühender Anhänger des "möglichst lange Unterhalt" beschreibt im anderen grossen Artikel in Heft 2/2008 erst einmal die historischen Verhältnisse: Bis 1970 hatte der Vater gemäss §1715 BGB Entbindungskosten und die Kosten für die ersten Wochen nach der Geburt zu zahlen. Ab 1970 mit dem "Nichtehelichengesetz" bekam sie ein volles Jahr Unterhalt. Hier begann, wie auch in allen anderen familienrechtlichen Änderungen der 1970er Jahre ein ganzes Bündel deutscher Sonderwege, Dinge die anderswo in Europa bis heute undenkbar sind. 1995 schliesslich wurden es in Deutschland drei Jahre, 1998 immer drei Jahre mit Verlängerungsoption und nun, 2008 eine de facto Verlängerung auf viele Jahre mehr. Wie gut, dass nun alles so gut ist.

Dann schreibt er, was eine Mutter seinem Senat für einen Tagesablauf vorgelegt hat:

[font=Courier]5:30 Aufstehen
6:15 Bereiten des Frühstücks
6:40 Wecken, Anziehen, Waschen der Kinder, gemeinsames Frühstück
7:30 Verbringen der Kinder zu Kindergarten und Schule
8:00 Beginn Arbeit
16:30 Ende Arbeit
17:00 Uhr Abholen der Kinder von Tageseinrichtungen
18:30 Beginn des Abendessens
20 Uhr Kinder zu Bett bringen
Dazwischen und danach: Einkäufe, Waschen, Bügeln, Putzen[/font]

Folge: Rund-um-die-Uhr Betreuung, die nicht Ausdruck eines antiquierten Familienbildes sei, sondern Faktum. Dem sei Rechnung zu tragen. Es würde auch nicht die Möglichkeit bestehen, diese Last mit dem anderen Elternteil zu teilen. Überforderungen, volle Erwerbstätigkeit unmöglich. Witzig finde ich, wie er ausblendet, dass genau das der Staat selber mit Nachdruck einfordert, wenn die liebe Mutter um Sozialleistungen anklopft.

Er legt sogar nach und benutzt dabei uralte feministisch induzierte Bilder von Vätern: "Dagegen träge den anderen Elternteil (zumeist den Mann) lediglich die Verpflichtung zur Zahlung von Barunterhalt für die Kinder. Er wäre in seiner Freizeitgestaltung nicht beeinträchtigt und könnte sich etwa einer neuen Partnerschaft zuwenden. Dafür blieben ihm, im Gegensatz zu dem betreuenden Elternteil, sowohl die zeitlichen Ressourcen als auch die finanziellen Mittel". Das darf natürlich nicht sein....

Der frühere Betreuungsunterhalt, europaweit bereits einzigartig hoch und lang, hat ihm viel zu geringes Niveau. Man dürfte ihn nicht zum Massstab nehmen, sondern für alle Kinder ein an ihrem Wohl orientiertes Mass an sozialer Absicherung sicherstellen. Aha! Das ist also die Aufgabe der Väter: Soziale Absicherung. Der Vater als Sozialamt, freilich mit wesentlich höheren und längeren Pflichten belegt wie sie ein Sozialamt je hätte. Anmerkung Schwab: Man dürfe das nicht mit dem Sozialrecht vergleichen, "da es nicht überzeugend erscheint, die äussersten Zumutungen die ein vom Bankrott bedrohtes Sozialsystem seinen Bürgern auferlegt, bevor sie öffentliche Leistungen in Anspruch nehmen können, auf privatrechtlich begründete gemeinsame Elternverantwortung zu übertragen." Mit anderen Worten, solange es nur der Vater ist, dem die äussersten Zumutungen auferlegt werden, ist alles kein Problem. Das nenne ich doch mal ein offenes Wort zwischen all dem "Vater sein ist erfüllend und toll" und "wir tun so viel für die Familien" - Gesäusel der oberen Politikerinnen-Chargen.

Er kommt selber auf die Idee, dass daran etwas faul sei könnte und argumentiert gleich mal proaktiv nochmal dagegen. Die Mutter müsse Unterhalt bekommen. Wenn nämlich die Mutter keinen bekommt und Sozialgeld beantragt, wirke sich das unmittelbar auf die Lebenssituation des betroffenen Kindes aus. "Auch wenn es selbst Kindesunterhalt erhält, leitet es doch seinen sozialen Status von dem ihn betreuenden Elternteil ab. Selbst wenn es über einen gutverdienenden Vater verfügt, wird es nur auf Sozialhilfeniveau leben, wenn die ihn erziehende Mutter auf Sozialhilfe verwiesen ist." Aha, Herr Richter! Dann schlage ich doch vor, dass das Kind schleunigst zum Gutverdiener wechselt, sonst kann das Kindeswohl nicht gewahrt bleiben!

Mit dem Unterhalt ist es laut Herrn Maier aber nicht getan. Und auch die von der Politik angepriesene Kinderbetreuung dürfe nichts daran ändern, dass Mütter aus dem Vollen schöpfen sollten, im Gegenteil, damit lässt sich sogar noch mehr Geld fordern: "Der Paradigmenwechsel des geltenden Rechts, das die Fremdbetreuung der Kinder als Regelfall ansieht, dürfe eine Berücksichtigung der Betreuungskosten in dieser Weise nicht mehr als angemessen erscheinen lassen. Richtig erscheint vielmehr, die Betreuungskosten als regelmässigen Mehrbedarf des Kindes zu berücksichtigen". Damit würden diese Kosten auch im Mangelfall im ersten Rang stehen und gehen auf den niedrigeren Selbstbehalt des Vaters statt auf den höheren bei einem Anspruch der Mutter. OLG Richter Meiers Motto und Ziel: Rausbrechen, was nur irgend geht zugunsten der armen aufopferungsvollen schmerzensreichen Mütter.

Kurz und gut, dass die Mutter viele Jahre länger Unterhalt erhält "dürfte die Regel sein".

Gemeinsam ist allen diesen ellenlangen Aufsätzen und Ausführungen, dass die Belange und Sicht der Väter vollkommen ignoriert und ausgeblendet wird. Der Vater ist eine reine Zahlungsressource, die einfach zu funktionieren hat und fertig. An keiner Stelle spielt zum Beispiel eine Rolle, wie sehr sich der Vater in der Mitbetreuung des Kindes engagiert. Das wäre eigentlich ein gewichtiger Punkt bei eventuellen Unterhaltsansprüchen der Mutter, die ja vor allem wegen der angeblich so unglaublich aufwendigen Kinderbetreuung ihren Anspruch geltend machen kann. Überall wird ausserdem von gemeinsamen Lebensentscheidungen und dem Lebensmodell der Partner gesprochen. Das ist eine schmierige Juristenlüge, denn das ziehen sie nur bei Unterhaltsverlängerungen aus dem Hut. Was nämlich, wenn das Lebensmodell der Eltern die gemeinsame Betreuung der Kinder war? Würde dann die Mutter, die die Kinder aus eigenem Willen nach der Trennung völlig für sich vereinnahmt hat keinen Unterhalt erhalten, weil ja das vereinbarte Lebensmodell eine Rolle zu spielen hat? Natürlich nicht. Ihre Geiselnahme der Kinder wird von dieser Richterschaft unvermindert weiterhin und nun erst recht mit Unterhalt belohnt.

Auch Fragen nach Zumutbarkeit, nach Interessenausgleich, die von der Justiz an anderer Stelle immer als grosse, bunte Fahne herumgetragen wird fehlen völlig. Die Väter werden von der jetzigen Richtergeneration buchstäblich als fest eingemauerte Geldautomaten betrachtet, deren Belange so unwichtig sind, dass sie nicht einmal genannt, geschweige denn ansatzweise berücksichtigt werden.

Einmal mehr zeigt sich, dass die Rechtspflege nicht auf dem Argumentationsweg beeinflusst werden kann. Sie schwebt in einem ganz eigenen Raumschiff, hoch oben, sie hört nicht zu sondern fabriziert Recht aus eigenem Recht. Der einzige Weg, etwas zu verändern liegt in Sabotage, Zersetzung, Treibstoff entziehen, abstürzen lassen wer runterpurzelt. Wever ahnte den Pferdefuss selbst, als er von der strapazierten "Akzeptanz der Betroffenen" sprach. Die Betroffenen, das sind die Väter, denn Mütter haben noch nie die ständige Unterhaltsverlängerungen zu ihren Gunsten kritisiert, ganz im Gegenteil.
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Fachpresse zur Verlängerung des Betreuungsunterhalts, §1615l BGB - von p__ - 19-11-2008, 13:10

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