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Vater werden ist nicht schwer, Vater sein...
#4
Nur wenige Jahre, bevor meine Mutter dann ihre Volljährigkeit erreichte, hörten endlich die elterlichen Gewaltorgien
auf. Es war schon etwas anderes, ob man ein kleines Kind mit verheultem Gesicht zur Schule schickte, oder eine fast erwachsene junge Frau.

Jedenfalls schwor sich da meine Mutter, falls sie jemals Familie haben sollte, sollten ihre Kinder es besser haben als sie und auch nicht in mit diesem an Geiz grenzenden Sparttrieb wie der ihrer Eltern, aufwachsen müssen.

Man muß schon sagen, daß meine Mutter in ihren jungen Jahren vom Aussehen her ein wirklich heißer Feger war und die Herren der Schöpfung auf jeder Festveranstaltung um ihre Gunst buhlten. Als Kontrapunkt zu ihrem Elternhaus war es da natürlich vorteilhaft, wenn
die Verehrer finanziell nicht so eng auf Kante genäht waren. So kam meine Mutter u. a. auch in den Genuß, als eine der ersten jungen Damen des Landkreises mit einem Porsche im Morgengrauen nach Hause kutschiert zu werden.

Dann lernte meine Mutter bei ihren Ausflügen in die Partyszene der frühen sechziger Jahre meinen Vater kennen. Der hatte zwar selber weder Statussymbole, noch ein dickes Konto vorzuweisen, aber er war ein begabter Rethoriker und routinierter Charmeur. Seine wohlhabenden Eltern, insbesondere seine Mutter, ermöglichten ihm ein finanziell unbeschwertes Leben.

Mein Vater war das jüngste von insgesamt vier Kindern seiner Eltern. Die gehörten zu einer angesehenen Familie der hiesigen Stadt, sein Vater war Gymnasiallehrer und Chorleiter, seine Mutter bildete Hauswirtschafterinnen aus. Sie besaßen einige Grundstücke. Die Familie meines Vaters bestand damals zum grössten Teil aus Akademikern, Kaufleuten oder Staatsbediensteten gehobener Laufbahn und das schon seit der Zeit, als Preußen noch ein Königreich war. Der dokumentierte Stammbaum soll bis auf Spielleute aus dem 15. Jahrhundert zurück gehen.
Die meisten Familienmitglieder waren nach dem 2. Weltkrieg durch ihren Grundbesitz schnell wieder vermögend geworden. Einige von Ihnen betrieben ein gutgehendes Feinkostgeschäft sowie einen Spirituosenhandel in der Stadt.

Mein Großvater väterlicherseits war kein Kind von Traurigkeit und verlebte seine Zeit gerne in der Kneipe um die Ecke oder am Stammtisch mit den anderen Chormitgliedern. Er war ein großer Freund von Tabak und Alkoholika aller Art. Soweit ich das heute beurteilen kann, hatte er bereits geplant, seine Familie zu verlassen und mit einer anderen Frau ein neues Leben anzufangen, mit der er ein aussereheliches Kind hatte, was übrigens erst viel später bekannt wurde.
Diesen Plan machte allerdings die Geburt meines Vaters zunichte. Eine Frau mit drei Kindern und einem Säugling hätte mein Opa nicht verlassen können, ohne gesellschaftliche Ächtung zu erfahren.
So mußte er sich damit begnügen, sein aussereheliches Kind heimlich zu alimentieren. Für diesen Umstand hat er insgeheim meinen Vater verantwortlich gemacht und ihn dafür mit Nichtachtung gestraft. Opa war bereits mitte Vierzig, als mein Vater zur Welt kam und er konnte sich vermutlich nicht mehr damit anfreunden, sich mit einem kleinen Kind aus einer ungeliebten Ehe zu beschäftigen.
Mein Vater wurde somit hauptsächlich am Rockzipfel seiner Mutter groß. Darüber hatte seine Mutter ein sehr schlechtes Gewissen und
wurde meinem Vater gegenüber sehr nachsichtig und verhätschelte ihn, bis in das Erwachsenenalter hinein. Selbstverschuldetet monetäre Problemlagen meines Vaters hat sie später häufig unbürokratisch ausgebügelt.

Meine Oma wollte aber auch nicht den Rest ihres Lebens als Strohwitwe und Glucke versauern und so bekam mein Vater mit zwölf oder dreizehn Jahren den Haustürschlüssel um den Hals gehängt.

Ich habe meine Großmutter väterlicherseits, wie auch ihren Gatten, nicht mehr persönlich kennen gelernt. Sie starb ein Vierteljahr nach meiner Geburt. Sie soll aber jedenfalls eine großmütige, lliebenswerte und lebenslustige Frau gewesen sein, die den Frust über ihre eingeschlafene Ehe mit einer überdurchschnittlichen Zuführung von Kalorien kompensierte. Ein für sie riskantes Hobby, denn sie war zuckerkrank.

Mein Vater war also ab einem gewissen Zeitpunkt von seinen Eltern weitgehend sich selber überlassen, er mußte und wußte keine Verantwortung zu übernehmen, weil das seine Mutter für ihn tat und so schaffte er mehr Schlecht als Recht seine Ausbildung zum Großhandelskaufmann, ansonsten führte er ein Leben in der Art eines Gigolos.

Nun wurde meine Mutter nicht lange nach dem Bekanntwerden mit meinem Vater schwanger, was zwar sowohl meinem Vater als auch meiner Mutter nicht passte, aber nicht mehr aus der Welt zu schaffen war.

Meine Mutter hätte sich wohl lieber einen verantwortungsvolleren Vater gewünscht und mein Vater wollte sich insgeheim nicht so früh binden. Die Beziehung stand einige Monate auf der Kippe, bis sich meine Eltern dann doch "zusammenrissen" und entgegen ihrer Bedenken beschlossen, ein Ehepaar zu werden. Es war damals für eine Frau gesellschaftlich problematisch, uneheliche Kinder zu haben und für meinen Vater wäre es reputationsmäßig auch nicht so gut gewesen, denn es war in der Volksmeinung genauso schlecht angesehen, eine schwangere Frau "sitzen" zu lassen. So trat meine Mutter dann hochschwanger mit meinem Vater in letzter Minute vor den Traualtar.
Für die Brautmutter war die Veranstaltung im Beisein der "bessergestellten" Familie meines Vaters eine höchst peinigende Angelegenheit und sie beleidigte die Teilnehmer der Feierlichkeit auf der Seite des Bräutigams nach Kräften. Sie hetzte darum auch ihren Gatten gegen die Familie des Bräutigams auf und so entstand recht schnell eine latente Angriffstimmung unter den Anwesenden der Hochzeitsgesellschaft, nur mit Mühe konnte eine Schlägerei verhindert werden. Unter diesen Vorzeichen starteten meine Eltern dann in ihr neues Leben als Ehepaar und Familie.
"Du Mama. Wenn Papa tot ist kauf ich mir meinen eigenen Ponyhof!" - CosmosDirect Lebensversicherung, 2007

Quelle: http://de.wikiquote.org/wiki/Vater
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RE: Vater werden ist nicht schwer, Vater sein... - von Sixteen Tons - 23-01-2015, 09:15

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