Themabewertung:
  • 0 Bewertung(en) - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
BGH zu mietfreiem Wohnen, Erwerbsverpflichtung
#1
LAMPERTHEIM Mit zwei sich in der täglichen Unterhaltspraxis häufig stellenden Fragen hatte sich der Bundesgerichtshof jüngst zu befassen: Zum einen, wie im Rahmen einer Unterhaltsberechnung der Vorteil des mietfreien Wohnens im Eigenheim zu bewerten ist.

Zum anderen, ob einer 50-jährigen, getrennt lebenden Ehefrau, die nach 15-jähriger Berufspause eine Teilzeittätigkeit ausübt, wenige Monate nach der Trennung sogleich die Aufnahme einer Vollzeitstelle zugemutet werden kann. Dem ganzen lag folgender Sachverhalt zu Grunde: aus der Ehe der getrennt lebenden Ehegatten, die 1984 geheiratet hatten, ging ein volljähriger Sohn und ein bei Trennung 17 Jahre alter Sohn hervor. Die Eheleute waren je zur Hälfte Miteigentümer eines Reihenendhauses mit einem unstreitigen Mietwert von 860 Euro monatlich. Dem standen monatliche Darlehensbelastungen für Zins und Tilgung von 580 Euro gegenüber. Im Dezember 2004 übertrug die Ehefrau ihren halben Miteigentumsanteil für 75000 Euro an den Ehemann, der durch eine Umfinanzierung sämtliche Schulden übernahm. Ende Dezember 2004 trennten sie sich dann. Die Ehefrau forderte sodann die Zahlung von Trennungsunterhalt vom Ehemann. Dieser erzielt aus seiner Berufstätigkeit ein Monatsnettoeinkommen in Höhe von rund 3250 Euro. Die 50 Jahre alte, klagende Ehefrau erzielt nach einer 15-jährigen "Familienpause" seit Anfang 2000 aus einer Teilzeittätigkeit (28 Stunden/wöchentlich) monatliche Einkünfte von rund 950 Euro.

Die Vorinstanz, das Oberlandesgericht Düsseldorf, rechnete dem Ehemann weitere Einkünfte wegen mietfreien Wohnens von monatlich Euro 260 und der Ehefrau ein fiktives Erwerbseinkommen von Euro 260 hinzu, welches sie aus einer zumutbaren Nebentätigkeit erzielen könne. Letztendlich verurteilte das Oberlandesgericht den Beklagten unter Berücksichtigung seiner Unterhaltspflicht für die beiden Kinder dazu, an die getrennt lebende Ehefrau über den freiwillig an sie gezahlten Unterhalt in Höhe von monatlich Euro 258 hinaus weitere Euro 367 zu zahlen. Gegen dieses Urteil legte der Ehemann Revision zum Bundesgerichtshof ein. Er ist der Auffassung, dass ihm nur ein geringerer Wohnvorteil für die Nutzung des eigenen Hauses zurechenbar ist. Zudem müsse der Klägerin ein höheres Einkommen zugerechnet werden, weil sie neben ihrer Teilzeittätigkeit höhere Nebeneinkünfte erzielen könne. Der Bundesgerichtshof hob in seinem am 5. März 2008 verkündeten Urteil diese Entscheidung auf und stellte folgende, für die Unterhaltspraxis wichtigen Grundsätze auf: nach der Trennung von Eheleuten muss sich derjenige, der in dem Eigenheim verblieben ist, einen Wohnvorteil als zusätzliches Einkommen anrechnen lassen. Die Höhe dieses Gebrauchswerts richtet sich zunächst nicht nach der auf dem allgemeinen Wohnungsmarkt zu erzielenden Marktmiete, sondern danach, welche Miete der im Eigenheim verbliebene Ehegatte für eine angemessene, dem ehelichen Lebensstandart angepasste, kleinere Wohnung bezahlen würde. Dies ist der so genannte subjektive Wohnvorteil.

Von diesem Nutzungsvorteil sind die verbauchsunabhängigen Nebenkosten, wie zum Beispiel Versicherungen und Grundsteuer abzuziehen, aber auch Zins und Tilgung für laufende Darlehen. Diese Art und Weise der Berechnung des Vorteils des mietfreien Wohnens galt bislang grundsätzlich bis zur Rechtskraft des Scheidungsurteils. Erst für die Zeit danach wurde anstatt des geringeren subjektiven Wohnvorteils die objektive Marktmiete in Ansatz gebracht, was zu einer erheblichen Einkommenserhöhung auf Seiten des im Eigenheim verbliebenen Ehegatten führte und damit zu einer erheblichen Änderung der Unterhaltsberechnung. Jetzt billigt der Bundesgerichtshof ausdrücklich die Anrechnung der vollen objektiven Marktmiete auch schon vor der Scheidung beziehungsweise unmittelbar nach der Trennung, wenn, wie im vorliegenden Fall, die Eheleute ihr Miteigentum an der gemeinsamen Immobilie endgültig auseinander gesetzt haben. Weiterhin stellte der Bundesgerichtshof klar, dass auch nach der Scheidung die Zinsen, die der die Haushälfte übernehmende Ehegatte zahlt, von dem Wohnwert in Abzug gebracht werden dürfen, nicht jedoch der Tilgungsanteil, was nach der bisherigen Rechtsprechung so eindeutig nicht war.

Letzteres ist aber nur bis zur Rechtskraft des Scheidungsurteils zulässig, es sei denn wiederum, der Ehegatte hat noch nicht alle Möglichkeiten der Altersvorsorge ausgeschöpft. Zusätzlich zu den gesetzlichen Rentenbeiträgen von rund 19 Prozent ist es dem Unterhaltsverpflichteten nämlich gestattet, weitere 4 Prozent seines Bruttoeinkommens als zusätzliche Altersvorsorge zu verwenden. Dieser Teil des Bruttoeinkommens steht also für den geschuldeten Unterhalt nicht zur Verfügung, sondern ist dem Unterhaltsschuldner zu belassen. Der Tilgungsanteil des Darlehens kann also zukünftig nach dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofs in Höhe von bis zu 4 Prozent des Bruttoeinkommens vom Einkommen abgezogen werden, was zu einer Verringerung der Unterhaltslast führt. Ohne weiteres - und dies ist bemerkenswert - geht das Gericht im Hinblick auf diese verfestigte Trennung, bei der die Einreichung des Scheidungsantrages nur noch eine Frage der Zeit sei, von einer Verpflichtung der Ehefrau zur Ausübung einer Vollerwerbstätigkeit schon wenige Monate nach der Trennung aus. Diese Entscheidung ist sicherlich auch vor dem Hintergrund der seit dem 1.Januar 2008 in Kraft getretenen Unterhaltsrechtsreform zu sehen, die die wirtschaftliche Eigenverantwortlichkeit der Ehegatten nach der Scheidung betont.


http://www.main-rheiner.de/region/objekt...id=3255814
Zitieren


Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste