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OLG Karlsruhe - 5 UF 121l12 - Verbundzuständigkeit Deutscher Gerichte nicht gegeben
#1
Grundproblematik ist der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes mit Mutter in dem Nicht-EU also Drittland Schweiz. Der Antragsteller und formelle Ehegatte hat seinen Wohnsitz nach Deutschland verlegt und Scheidungs- und Sorgerechtsanträge beim AG Waldshut-Tiengen gestellt.

Nachdem das AG WT die Sache zwei Jahre liegen liess bzw. mit immer neuen Überlegungen zunächst seine internationale Gesamtzuständigkeit in Frage stellte, kam es am Ende zu dem Schlusss, dass es aufgrund vom Basel IIa Abkommen, dass für alle EU Staaten gilt, in der Scheidungsangelegenheit doch zuständig sei aber eben nicht für die Entscheidung der Sorgerechts- und Umganganträge. Zum Hintergrund: Seit Anfang 2011 gilt in Deutschland das Haager Kinderschutzübereinkommen (HKSÜ), dass auch von der Schweiz ratifiziert ist. n EU-Staaten gilt das BAsel IIa Abkommen (auch EU-VO), welches nicht von der Schweiz ratifiziert ist, weil die Schweiz Drittland ist. Die Zuständigkeit der Scheidungsache ergibt sich aus den Regeln der EU-VO. Die EU-VO und das KSÜ sind inhaltlich aufeinander abgestimmt, so dass bei Staaten, die beide Abkommen ratifiziert haben, eine Verbundzuständigkeit aus der EU-VO abzuleiten ist. Anders im Fall der Schweiz, die nur Mitglied des KSÜ ist. Hier gibt es in der EU-VO eine Ausnahmeklausel für genau diesen Fall, dass nämlich dann auf die Zuständigkeitsregelungen des KSÜ abzustellen ist - das legt die Zuständigkeit in den Staat, in dem das Kind seinen 'gewöhnlichen Aufenthalt' hat. Dabei ist der Begriff des 'gewöhnlichen Aufenthalts" aber international nicht eindeutig festgelegt.

Nachdem die Lage um Mutter und Kind eskalierte, hat man der Mutter ihre Kinder weggenommen und sie ins Heim gesteckt, anstatt sie dem sorgebrechtigten Vater zu übergeben (Schweizer Methode). Der hat daraufhin einen Eilantrag beim AG WT gestellt, welches dann die Entscheidung in der Hauptsache der Zuständigkeit an das OLG Karlsruhe abgegeben hat.

Zum Urteil:
Zitat:...
Das Amtsgericht - Familiengericht - Waldshut-Tiengen ist nach Art.. 7 der Verordnung
(EG Nr. 2201/2003) des Rates vorn 27.11.2003 über die Zuständigkeit, die
Anerkennung, die Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren
betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG
Nr. 1347/2000), der sogenannten Brüssel il a­Verordnung oder auch EU Ehe-VO, für
das Verfahren der Ehesoheidung zwischen den Beteiligten zuständig. Aus Art. 3 der
sogenannten Brüssel li a-Verordnung ergibt sich keine internationale Zuständigkeit des
Amtsgerichts Familiengericht - Waldshut-Tiengen, da der Antragsteller im Zeitpunkt
der Anhängigkeit des Scheídungsantrags nicht mindestens sechs Monate seinen
Wohnsitz in Deutschland hatte. Ebenso wenig sind die Art. 4 und 5 nach dieser
Verordnung vorliegend einschlägig, sodass nur die Restzuständigkeit nach Art. 7 Abs. 1
der Brüssel Il a-Verordnung zur Anwendung kommt. Danach richtet sich, sofern keine
Zuständigkeit nach Art. 3, 4 und 5 der Verordnung gegeben ist, die Zuständigkeit des
Gerichts nach dem Recht in dem angerufenen Mitgliedssteat (vgl. EuGH - Sundiind
Lopez/Lopez Liazo, FamRZ 2008, 128ff, 130). Dies führt zur Anwendung von 98
FamFG (vgl. Zöller, 29. Aufl., Anhang ll EG-Verordnung Ehesachen, Art. 7, Rn. 1). Da
der Antragsteller deutscher Staatsangehöriger ist, besteht die internationale
Zuständigkeit des Amtsgerichts Waldshut-Tiengen für die Scheidungssache gemäß 98
Abs. 1 Nr. 1 FamFG.

Nach der Brüssel ll a-Verordnung enthalten die Art. 8 ff. eine Annexzuständigkeit zu den
Ehesachen für den Bereich der elterlichen Verantwortung. Nach Art. 2 Nr. 7 Satz 2 der
Brüssel ll a-Verordnung umfasst die „elterliche Verantwortung“ im vorgenannten Sinne
sowohl das Sorge- als auch das Umgangsrecht. Nach Art. 8 der Brüssel ll a-Verordnung
sind für Entscheidungen, die die elterliche Verantwortung betreffen, die Gerichte des
Mitgliedsstaats zuständig, in dem das Kind zum Zeitpunkt der Antragstellung seinen
gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Das internationale Kindschaftsrecht definiert den Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts
nicht. Da sämtliche internationale Abkommen auf diesem Gebiet letztendlich dem
Schutz des Kindeswohls dienen, ist von einem einheitlichen Begriff des gewöhnlichen
Aufenthalts auszugehen (OLG Stuttgart, NJW 2012,- 2043 ff.). Der gewöhnliche
Aufenthalt stellt auf den tatsächlichen Mittelpunkt der Lebensführung einer Person ab.
Es kommt damit entscheidend darauf an, Wo das Kind seinen Daseinsschwerpunkt hat
und sich damit der Ort, der Ausdruck einer gewissen sozialen und familiären Integration
des Kindes istr befindet (OLG Stuttgart, NJW 2012, 2043 ff.; EuGH, FamRZ 2009, 843,
845). CCCC wohnt seit ihrer Geburt und auch nach der Trennung der Eltern mit der
Mutter in der Schweiz. Ihr gewöhnlicher Aufenthalt befindet sich in der Schweiz, so dass
sich nach Art. 8 der Brüssel Ii a-Verordnung keine Zuständigkeit deutscher Gerichte
ergibt.
...
Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach Art. 12 Abs. 1 Brüssel il a-Verordnung
wären drei kumulative Voraussetzungen erforderlich: Es müsste eine Zuständigkeit des
Gerichts für das Ehescheidungsverfahren vorliegenI was hier der Fall ist. Weiter müsste
die elterliche Verantwortung bei einem Elternteil alleine oder bei beiden gemeinsam
liegen. Auch diese Voraussetzung ist vorliegend gegeben. Als dritte und letzte
Voraussetzung Wäre erforderlich, dass die internationale Zuständigkeit der deutschen
Gerichte durch beide Elternteile anerkannt wird und im Einklang mit dem Kindeswohl
steht. Die Antragsgegnerin ist der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte
ausdrücklich entgegengetreten. Dies hatte sie zunächst in ihrer Antragsenrviderung mit
Schriftsatz vorn 21.09.2010 durch ihre schweizerische Verfahrensbevollmächtigte getan,
wenn auch mit anderer Begründung.
...
Art. 12 Abs. 1 der Brüssel ll a-VO schafft eine Annexzustëndigkeit für die elterliche
Verantwortung im Falle der Anhängigkeit und Zuständigkeit für eine Ehesache,
begründet aber darüber hinaus keine \/erbundzuständigkeit für die elterliche
Verantwortung (Rauscher, Europäisches Zivilprozess- und Koliisionsrecht, Kommentar,
Neubearbeitung 2010, Kapitel II, Abschnitt 2, Art. 12 Brüssei Il Rn. 5;
Erman/Hohloch BGB, 13. Aufi. 2011, Art. 17 EGBGB, Rn. 65 b). Da nach Art. 12 Abs. 1
Brüssel Il keine Zuständigkeit deutscher Gerichte besteht, stellt sich über Art. 14
der Brüssel Il a-VO die Frage der Zuständigkeit deutscher Gerichte nach dem für
Deutschland geltenden Haager Kinderschutzühereinkommen (KSÜ) (vgl. Zöller-Geimer,
Anhang ll EG-VO Ehesachen, Art. 14 Brüssel Il a-VO, Rn. 1, 2).
...
Parallel verhält es sich im Verhältnis zum Haager Kinderschutzübereinkomrnen, dem
Haager Übereinkommen vom 19.10.1996 über die Zuständigkeit, das anzuwendende
Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der
elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern (KSÜ).

Nach Art. 5 des KSÜ bestimmt sich die Zuständigkeit auch hier nach dem gewöhnlichen
Aufenthalt des Kindes, wobei dieser genauso definiert wird wie im Rahmen der Brüssel
II a-VO (vgl. OLG Stuttgart NJW 2012, 2043, 2044). Nach Art. 5 des KSÜ ergibt sich
daher auch Wie nach der Brüssel lia-Verordnung die internationaie Zuständigkeit der
Schweiz.

Das KSÜ sieht, wie die Brüssel Il a-Verordnung, eine internationale Zuständigkeit
aufgrund Vereinbarung der Beteiligten vor. Nach Art. 10 des KSÜ, Weicher in seinen
Kriterien an Art. 12 der Brüssel il a-VO angelehnt ist, sind drei kumulative
Voraussetzungen für die internationale Zuständigkeit auf Grund einer Vereinbarung der
BeteiligtenI erforderlich. Beide Regelungen streben einen Kornpromise zwischen dem
grundsätzlichen Vorrang der Aufenthaltszuständigkeit in der Sorgesache und der
Tendenz zu einer Entscheidungskonzentration mit der Ehesache an (Europäisches
Zivilprozess- und Kollisionsrecht, Kommentar, Neubearbeitung 2010, KapitelY Il,
Abschnitt 2 Art. 12 Brüssel Il Rn. 13). Danach ist für die internationale
Zuständigkeit des angerufenen Gerichts erforderlich, dass die elterliche Verantwortung
für das Kind bei einem Elternteil alleine oder bei beiden gemeinsam ist, der gewöhnliche
Aufenthalt eines Elternteils im Gerichtsstaat ist und die internationale Zuständigkeit des
angerufenen Gerichts durch beide Elternteile anerkannt wird.
...
ES ergibt sich damit auch nach dem KSÜ keine Zuständigkeit der deutschen Gerichte,
sondern eine Zuständigkeit der schweizer Gerichîe.

Soweit der Antragsteller vorträgt, die internationale Zuständigkeit ergebe sich aus dem
schweizerischen Recht, Welches eine Entscheidung über Folgesachen nur insgesamt,
also im Verbund ermögliche, so sind diese Ausführungen nicht zutreffend. Die Frage
des materiell anzuwendenden Rechts stellt sich erst nach Bejlahung der internationalen
Zuständigkeit eines Gerichts. Das in der Sache materiell anzuwendende Recht kann
daher keinen Einfluss auf die internationale Zuständigkeit haben.
...
Da vom Antragsteller ein dringender Regelungsbedarf für den Bereich der elterlichen Sorge
und des Umgangs vorgetragen Wurde und seit Antragstellung nunmehr fast zwei Jahre
vergangen sind
, War es sachgerecht und dem Kindeswohl dienlich, diese Verfahren
abzutrennen und die Frage der Zuständigkeit der deutschen Gerichte zu klären.

...
https://t.me/GenderFukc
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#2
Wieder einmal hat die Rechtspflege ihre Entscheidunggründe ganz allein selbst geschaffen. Und wie einfach das war: Indem sie zwei Jahre lang einfach nichts getan hat, statt den Antrag des Vater zu bearbeiten.

Ich möchte wetten, dass es beim Entscheid über Unterhalt wie geschmiert ging.
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#3
Stimmt - Unterhalt ging recht fix. Da nun wieder Schweizer Gerichte zuständig sind, sind meine Möglichkeiten erschöpft. Ob ich überhaupt noch zu einer Schweizer Verhandlung gehe, ist anbetrachts des vorhersehbaren Ergebnisses sehr fraglich. Und ob ich jetzt noch zur Scheidungsverhandlung erscheine, muss ich nochmal mit meinem Anwalt klären - was könnte ich da erreichen ? Mir gings um die Zukunft meiner Tochter und nicht um eine Scheidung.
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