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OLG München 5St RR (II) 60/10 zerfetzt Verurteilung Unterhaltspflichtverletzung
Hier das nervenfachärztliche Gutachten mit einem vorausgehen Hinweis des Gerichts, die Klage zurückzunehmen. Eingescannt, einige Fehler sind sicher noch drin. Das Original hat die Kleinigkeit von 28 Seiten.


Aktenzeichen 511 5B 555/11 151 22.11.2012

Rechtsstreit

Robert Camper ./. Freistaat Bayern, vertr. d.d. ZBFS, Zentrale Bayreuth

Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt Knacker,

anbei erhalten Sie das nervenfachärztliche Gutachten vom 08.11.2012 zur Kenntnis- und Stellungnahme.

Nach Überprüfung des Gutachtens ist derzeit wohl nicht davon auszugehen, dass die Klage erfolgreich sein wird. Der Sachverständige geht von einem Gesamt-GdB von 50 aus. Die vom Beklagten zuletzt vorgenommene Höherbewertung ist nach den Feststellungen des Sachverständigen wohl nicht begründet.

Die Rücknahme der Klage, gegebenenfalls mit anliegendem Formblatt, wird daher angeregt. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 1 Monat (Eingang bei Gericht).



Sehr geehrte Damen und Herren,

auf Ihre Aufforderung vom 13.07.2012 hin erstatte ich ein

NERVENFACHÄRZTLICHES GUTACHTEN

über Herrn Robert Camper, geb. 28.11.1955,


Aktenzeichen: S 11 SB 555/11

S 14 R 95/12

Untersuchungstag: 08.11.2012

Mein Gutachten basiert auf Kenntnis der vom Gericht zur Verfügung gestellten Akten sowie einer gutachterlichen Anamneseerhebung und Untersuchung einschließlich apparativer und testpsychologischer Zusatzdiagnostik am 08.11.2012. '

Die Aktenlage setzte ich als bekannt voraus, ich werde jedoch in meiner abschließenden Zusammenfassung und Beurteilung wesentliche Punkte aus den Akten nochmals ansprechen. Zudem berücksichtige ich von Herrn Camper am Untersuchungstag vorgelegte Schriftstücke, die ich meinem Gutachten beilege. Gemäß zwei Begutachtungsaufträgen des Sozialgerichts Augsburg werde ich abschließend zu folgenden Beweisfragen Stellung nehmen:

1. Im Sozialgerichtsverfahren S 14 R 95/12:

1. Gesundheitsstörungen

Welche wesentlichen Gesundheitsstörungen liegen beim Kläger vor?

2. Einschränkung der Erwerbsfähigkeit
Ist die Erwerbsfähigkeit des Klägers als Taxifahrer durch diese Gesundheitsstörungen
a) erheblich gefährdet oder
b) bereits gemindert?

3. Ausschlussgründe:
Ist eine ambulante Heilbehandlung, insb. eine haus- oder fachärztliche Behandlung, ausreichend? Ist eine Krankenhausbehandlung erforderlich?

4. Erfolgsaussichten:
Diese Frage ist nicht zu beantworten.

5. Erforderlichkeit weiterer Begutachtung:
Halten Sie weitere fachfremde Untersuchungen zur Abklärung des Anspruchs auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für erforderlich, ggf. auf welchem Fachgebiet?

11. Im Sozialgerichtsverfahren S 11 SB 555/11 ~

1. Welche dauernden (d. h. länger als 6 Monate bestehenden) Funktionsbeeinträchtigungen,
die auf einem regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustand beruhen (Behinderungen), liegen bei dem Kläger vor?

2. Wie hoch ist der Grad der Behinderung (GdB), d. h. die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen,
a) durch jede einzelne dieser Behinderungen
b) unter Einbeziehung aller Behinderungen (auch anderer Fachgebiete) insgesamt (Gesamt-GdB) ab 31.05.11/ Untersuchung einzuschätzen?

3. Ist das Gehvennögen des Klägers so eingeschränkt, dass er die üblichen Fußwege im Ortsverkehr (ca 2 km 130 Minuten ohne Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse) nur mit erheblichen Schwierigkeiten oder unter Gefahren für sich oder andere zurücklegen kann?

Wenn ja, welche Beschwerden treten nach welcher Wegstrecke auf?

I. Vorgeschichte:

Zunächst zu körperlichen Krankheiten befragt berichtet Herr Camper, er sei in seiner Kindheit 1964 im Alter von 9 Jahren am Herzen operiert worden. Er habe zwei Löcher in der Herzscheidewand gehabt. Vorher habe er ständig blaue Lippen gehabt und habe keine 10m laufen können, ohne Atemnot zu bekommen. Nach der Operation sei dies wesentlich besser gewesen. Er habe aber weiterhin keinen Leistungssport betreiben dürfen und auch nicht lange Zeit körperlich arbeiten dürfen. 2004 sei dann im Zentralklinikum Augsburg ein weiteres Loch in der Herzscheidewand mit einem Schirmchen verschlossen worden. 2006 oder 2007 sei eine Elektroablation wegen Herzrhythmusstörungen durchgeführt worden. Infolge seiner Herzkrankheit bekomme er bei körperlicher Arbeit weiterhin vorzeitig Luftnotbeschwerden.

Er habe eine Arterienverschlusserkrankung beider Beine schon seit 2004. 2006 sei deswegen am rechten Bein eine Bypass-Operation durchgeführt worden. Weiterhin bekomme er beim Laufen nach etwa 50 m Schmerzen in beiden Waden. Er müsse dann stehenbleiben und eine Pause von etwa 2 bis 3 min einlegen, dann könne er erneut etwa 50 m gehen. Lähmungen oder Gefühlsstörungen an den Beinen bemerke er nicht. Schon 2008 sei ihm ein erneuter operativer Eingriff deswegen angeraten worden. Vor einer Klärung der gutachterlichen Problematik wolle er einen solchen Eingriff jedoch nicht durchführen lassen. Ein Diabetes mellitus sei seit 2001 bekannt. Es erfolge eine medikamentöse Behandlung mit Metformin. Auch Cholesterin sei erhöht. Er rauche etwa 30 Zigaretten am Tag. An der rechten Hand habe er ein Karpaltunnelsyndrom schon seit vielen Jahren. Es bestünde ständig ein pelziges Gefühl am 1. bis 4. Finger der rechten Hand. Die Kraft in der rechten Hand sei nicht vermindert.

2004 habe er einen Schlaganfall erlitten. Bei der Fahrt zur Arbeit habe er morgens Mühe gehabt, das Auto auf der Straße zu halten. Er sei schließlich in das Krankenhaus Dachau eingeliefert worden, von wo aus man ihn in das Zentralklinikum Augsburg verlegt habe. Es sei die Diagnose eines Schlaganfalls gestellt worden. Anschließend habe man das Schirmchen im Herzen implantiert. Folgen dieses Schlaganfalls seien nicht zurückgeblieben.

Nochmals habe er im Jahr 2007 eine "TIA' , gehabt. Damals sei er trotz seiner Platzangst in einen Bus eingestiegen. Dort sei eine Panikattacke aufgetreten, verbunden mit einem Schweißausbruch. Dann setzte seine Erinnerung aus und erst einige Stunden später im Zentralklinikum Augsburg wieder ein. Man habe eine TIA diagnostiziert. Auch hiervon seien keine Folgen zurückgeblieben. Er sei auch psychisch krank. Seit 18 Jahren habe er einen "Klos im Magen". Er fühle sich von Gerichten ungerecht behandelt, seine Herzkrankheit werde nicht als Behinderung wahrgenommen.

2003 habe er zwei Suizidandrohungen vorgenommen, weil es ihm finanziell sehr schlecht gegangen sei. Er habe Unterhalt zahlen müssen, sodass er mit Suizid gedroht habe. Er sei damals 8 Wochen stationär im Bezirkskrankenhaus Augsburg behandelt worden. Schon 1979 habe er sogar einen Suizidversuch mit Tabletteneinnahme unternommen, nachdem eine Freundin ihn verlassen habe. 1994 sei er nach Scheitern seiner Ehe eine Nacht im Bezirkskrankenhaus Günzburg gewesen.

Bis jetzt gehe es ihm durch eine Ungewissheit in laufenden Gerichtsverfahren schlecht. Seine Stimmung gehe immer wieder "bergauf und bergab 11 • Vorwiegend sei die Stimmungslage gedrückt Er fühle sich unzufrieden, nicht richtig verstanden. Es sei aber nicht so, dass er nicht mehr leben wolle. Er setze sich immer wieder das Ziel, nächstes Jahr wieder in Urlaub zu fahren. Er könne sich auch noch freuen, Z.B. an solchen Urlaubsreisen mit "Sand, Sonne und Meer". Er habe auch noch Interessen, so z.B. an rechtlichen Fragen, auch an seinen Urlaubsreisen. Er würde gerne anderen Familien helfen, Unterhalts- und Umgangsprobleme in Scheidungsverfahren zu vermeiden, wie er diese selbst habe. Deswegen wolle er auch als Mediator in diesem speziellen Bereich tätig werden.

Angst trete 'in Form von Panikattacken in ganz bestimmten Situationen auf, nämlich immer dann, wenn es eng um ihn herum sei. Dieses Problem habe er mindestens seit 2006, eher sogar schon länger. Solche panikartige Angst trete auf in engen Aufzügen, vor allem wenn mehrere Personen im Aufzug seien, in Bussen. Nur in weitgehend leeren Bussen könne er fahren.

Auch ins Kino könne er deswegen nicht gehen, auch nicht in große Fußballstadien. Er besuche nur gelegentlich einen kleinen Fußballplatz auf dem Land. Auch Oktoberfest, Plärrer oder andere Jahrmärkte könne er deswegen nicht besuchen. In Kaufhäuser könne er nur gehen, wenn diese nicht zu voll seien. Bei seiner Berufstätigkeit als Taxifahrer könne er höchstens 2 Gäste fahren. Mit 3 oder 4 Gästen träte Angst auf. Er fahre zur Zeit nur noch 2 x 7 h pro Woche Taxi, auch dies nur in Absprache mit seinem Chef, wenn es ihm gut gehe.

Sein Problem mit dem Taxifahren seien jedoch vor allem die langen Wartezeiten. Es könne sein, dass man als Taxifahrer 2 bis 2 1/2 Stunden am Taxistand warten müsse. "Ich langweile mich dann zu Tode". Er könne in dieser Zeit auch nicht länger lesen oder Musik hören, es gingen ihm dann nur die Gerichtsverfahren durch den Kopf. "Es ist einfach die Langeweile, die mich fertig macht". Konzentrationsstörungen beim Autofahren habe er nicht. Er könne aber auch nicht Koffer in höhere Stockwerke tragen. Probleme mit Fahrgästen habe er dagegen keine, im Gegenteil er habe sogar viele Kunden, die bevorzugt mit ihm fahren wollten. Das Taxifahren wäre eigentlich auch ein guter Beruf, wenn es nur nicht die langen Wartezeiten gäbe. Deswegen wolle er nun eine Weiterbildung zum Mediator absolvieren. Er strebe dies an, weil er in diesem Beruf die besten Chancen sehe, sich einzubringen. Eine andere Umschulung strebe er nicht an. Er habe sich nun auch schon zu einer Umschulung zum Mediator angemeldet. Er habe eine Ausbildung zum Bürokaufmann, andererseits aber "zwei linke Hände", sodass auch keine Umschulung in einem anderen Bereich für ihn in Betracht komme.

In psychiatrischer Behandlung sei er bei Herrn Dr. Kreisch seit 1994. Früher habe er diesen häufiger aufgesucht, zuletzt etwa einmal pro Quartal. Die Behandlung erfolge mit Gesprächen. Medikamente nehme er nicht ein, schon weil er Taxi und Auto fahre. In psychotherapeutischer Behandlung sei er bei Herrn Dr. Schwallmann von 2003 bis 2008 gewesen. Die Psychotherapie habe ihm nicht geholfen'. Zuletzt sei er von Oktober 2011 bis August 2012 bei Herrn Dr. Frau in Psychotherapie gewesen, "um die ganze Sache aufzuarbeiten". Die Gespräche habe er als hilfreich empfunden, ein bleibender Erfolg habe sich jedoch nicht eingestellt. Herr Dr. Frau habe die Psychotherapie beendet, weil er gemeint habe, es mache keinen Sinn solange die Gerichtsverfahren offen seien.

11. Somatische Vorgeschichte:

Seine Geburt sei normal verlaufen. Mit 4 bis 5 Wochen sei ein Herzfehler festgestellt worden. Zur diesbezüglichen Anamnese ist auf I zu verweisen. Die Kinderkrankheiten seien normal verlaufen. Er brauche eine Lesebrille, ansonsten habe er keine Sehstörungen. Andere körperliche Krankheiten oder Beschwerden außer den bereits berichteten habe er nicht.

111. Psychiatrische Vorgeschichte:

Vor 1979 sei Herr Camper nie psychisch krank gewesen. Richtig losgegangen sei es mit seiner psychischen Krankheit erst vor 18 Jahren.

IV. Familienanamnese:

In seiner Familie seien keine psychischen Erkrankungen bekannt, bis auf ein Karpaltunnelsyndrom seiner Mutter auch keine neurologischen Krankheiten.

V. Vegetativanamnese:

Medikamentöse Behandlung mit Metformin 1500 mg täglich, Simvastatin 40 mg täglich, ASS 100 mg täglich. Früher habe er auch schon Aggrenox eingenommen, was jedoch zu Kopfschmerzen und Suizidgedanken geführt habe. Nikotinkonsum von etwa 30 Zigaretten täglich. Alkohol trinke er fast nicht. (…) Sein Gewicht sei bei 98 bis 100 kg weitgehend konstant.

VI. Biografie und Sozialanamnese:

Geboren wurde Herr Camper in Augsburg. Sein Vater war von Beruf Maschinenschlosser, seine Mutter Hausfrau. Er war der drittälteste von vier Geschwjstern. Seine Kindheit sei durch die Herzkrankheit geprägt gewesen. Nach seiner Operation habe jeder gemeint, er sei nun gesund. Dadurch habe er sich auch oft überfordert. Ansonsten sei die Beziehung zu seinen Eltern und Geschwistern normal gewesen.

Nach Hauptschule mit qualifizierendem Abschluss folgte eine Lehre zum Bürokaufmann. In diesem Beruf arbeitete Herr Camper über 12 Jahre, anschließend über weitere 12 Jahre als Zwirner im Schichtbetrieb bis 1996. Diesen Arbeitsplatz habe er aufgegeben, weil ein dortiger Arbeitskollege der neue Partner seiner Ehefrau gewesen sei. Er sei dann 9 Monate arbeitslos gewesen. Man habe ihm damals vorgeworfen, seinen Gehalt bewusst reduziert zu haben. Von Januar 1997 bis Juni 1998 habe er als Callcenter-Agent gearbeitet, anschließend von Juli 1998 bis März 2006 als Verkäufer von Campingartikeln. Diese Berufstätigkeit habe er durch Auflösungsvertrag aus gesundheitlichen Gründen beendet. Wegen der psychischen Belastung durch die Scheidung und folgende Gerichtsverfahren sei er überfordert gewesen, sodass er auch Mitarbeiter immer wieder mit seinen Problemen konfrontiert habe. Er habe seine Arbeit nicht mehr richtig ausüben können. Auch Hygienemängel seien ihm vorgeworfen worden.

Von April 2006 bis Juli 2008 sei er arbeitslos gewesen. Danach habe er als Taxifahrer gearbeitet, zunächst in Vollzeit bis Dezember 2010. Dann sei er mit stärkerer Niedergeschlagenheit und Schlafstörungen erkrankt. Schließlich sei deswegen eine psychosomatische Rehabilitationsmaßnahme in Zell von Juni bis September 2011 erfolgt. Dort habe man gesagt "Langeweile beim Taxifahren"_ Danach sei er noch bis Juni 2012 krankgeschrieben gewesen. Seit Juli 2012 sei er offiziell arbeitslos gemeldet. Er arbeite nur noch 2 x 7 Stunden pro Woche als Taxifahrer.

Verheiratet war Herr Camper von 1981 bis 1995. Die Trennung war 1994 erfolgt. Die Ehe sei gescheitert, weil seine Ehefrau einen anderen Partner kennengelernt habe. Er habe drei Kinder aus dieser Ehe, einen 28-jährigen Sohn und zwei Töchter im Alter von 25 und 21 Jahren. Nur zu seinem Sohn habe er noch guten Kontakt. Die Töchter lehnten ihn ab, er sei "böse weil er keinen Unterhalt bezaht habe". Eine erneute Partnerschaft besteht seit 1997. (Ausführungen zur neuen Partnerin)

Zu seinem üblichen Tagesablauf berichtet er, er stehe oft morgens schon um 4 Uhr auf. Er sitze dann am PC und beschäftige sich im Internet mit Familienrecht. Nach dem Frühstück spüle er ab und bringe Abfall weg. Zu weiteren Arbeiten im Haushalt könne er sich nicht aufraffen. Auch seine Partnerin erledige dies aus gesundheitlichen Gründen nicht. Vormittags schlafe er dann auch wieder. Zwischenzeitlich sehe er auf der Couch liegend fern. Dann schlafe er erneut. So gehe dies bis zum Abend. Abends sehe man gemeinsam fern. Wenn er am folgenden Tag Taxi fahren müsse, gehe er gegen 20 Uhr zu Bett, sonst erst gegen 22 Uhr.

Seine Hobbys seien Camping - er mache jeden Sommer 3 Wochen und jeden Herbst 2 Wochen Camping-Urlaub - und Familienrecht sowie Steuerrecht. Sport verfolge er auch gerne am Fernseher, als Zuschauer nur auf einem kleinen Fußballplatz.

Freunde und Bekannte habe er keine, außer im Internet. Mit Internetfreunden kommuniziere er über Rechtsfragen. Seinen Sohn treffe er mindestens alle zwei Wochen zum Frühstück.

Er habe im Juni 2011 auch einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente gestellt. Es sei von der DRV anerkannt worden, dass er als Taxifahrer nur weniger als 6 Stunden am Tag arbeiten könne, dagegen könne er als Bürokaufmann noch länger arbeiten.

V ü. Untersuchungsbefunde:

A. Neurologischer Befund:

(in Ordnung)

B. Psychopathologischer Befund:

Herr Camper ist bei der Anamneseerhebung und Untersuchung freundlich zugewandt und kooperativ.

Die Anamnese wird geordnet vorgetragen. Es bestehen keine formalen oder inhaltlichen Denkstörungen.

Keine paranoiden Gedanken. Keine Halluzinationen. Keine Ich-Störungen.

Die Stimmungslage ist leicht dysphorisch, jedoch nicht wesentlich depressiv getönt, die affektive Schwingungsfähigkeit ist gut erhalten. Eine Grübelneigung ist auf die weitere berufliche und private Entwicklung ausgerichtet. Es bestehen keine Anhedonie, kein Interesseverlust, keine Gefühle des Lebensüberdrusses. Keine Suizidgedanken. Keine Schuldgefühle. Keine Insuffizienzgefühle. Angst tritt nur situationsabhängig auf (in engen Räumen, vollen Kaufhäusern oder öffentlichen Verkehrsmitteln), dann in Form von Panikattacken. ~s besteht ein entsprechendes Vermeidungsverhalten. Keine anhaltende Angst. Die Zukunfts sicht sei unentschieden, nicht optimistisch, nicht pessimistisch.

Über eine Antriebsminderung bezüglich ungeliebter Aktivitäten wird berichtet, wenn er interessiert sei habe er auch Energie und Antrieb. In der Untersuchungs situation zeigt sich keine Alteration der Antriebslage. Keine vermehrte Erschöpfbarkeit. Bewusstsein und Orientierung sind ungestört. Bei einer Merkfähigkeitsprüfung werden eine 4-stellige Zahl und 2 Begriffe nach 10 Minuten richtig erinnert. Auch bei der Anamneseerhebung zeigen sich keine amnestischen Störungen.

Die Konzentrationsfähigkeit ist normal, auch geprüft mittels einer einfachen Rechenaufgabe (100 minus 7 in Folge), die rasch und korrekt gelöst wird. Die geschilderten Beschwerden klingen glaubhaft. Es ergibt sich kein Anhalt für eine wesentliche Aggravation oder gar Simulation.

Seine Primärpersönlichkeit beschreibt Herr Camper als aufgeschlossen, kontaktfähig, von Natur aus auch fröhlich und ausgeglichener Stimmungslage. Ängstlich, misstrauisch oder nachtragend sei er von Natur aus nicht. Er sei gerechtigkeitsbewusst, jedoch nicht "querulatorisch", was ihm vorgehalten werde. Wenn er jedoch ein Ziel habe, verfolge er dieses auch konsequent.

C. Apparative Diagnostik:

1. Elektroenzephalographie:

Gut ausgeprägte Alphagrundaktivität mit einer Frequenz um 9 bis 10/s. Diese hat Amplituden bis 60 µV und ist bei Augenöffnen reaktiv. In allen Ableitungen geringer ausgeprägte flache Beta-Überlagerung vorwiegend um 18 bis 20/s. Gelegentlich auch langsame Alphawellen und seiten Einstreuung einzelner schneller Zwischenwellen in allen Ableitungen. Keine Seitenasymmetrie, kein Herdhinweis, keine epil.epsietypischen Entladungen. Hyperventilation: Keine Änderung des Kurvenbilds. Zusammenfassung und Beurteilung: Alpha-EEG ohne krankhaften Befund.

2. Nervenleitgeschwindigkeiten:

Distale Latenz des N.medianus rechts mit 4,2 ms grenzwertig, links mit 3,9 ms normal. Sensible Nervenleitgeschwindigkeit des N.medianus über das Handgelenk rechts mit 38 mls gering vermindert, links mit 39 m/s grenzwertig vermindert. Motorische Nervenleitgeschwindigkeit des Nervus tibialis beidseits mit 40 m/s grenzwertig. Sensible Nervenleitgeschwindigkeit des Nervus suralis rechts mit 39 mls grenzwertig vermindert, links mit 40 mls grenzwertig.

D. Testpsychologie:

1. Mehrfachwahl- Wortschatz-Intelligenztest:

Der Test prüft orientierend das Intelligenzniveau.

Hierbei werden 30 von 37 möglichen Punkten erreicht. Dies entspricht einer durchschnittlichen Intelligenz (IQ 107).

2. c.I.- Test:

Der Test prüft orientierend die momentane geistige Leistungsfähigkeit. (…) Der c.I-Test ergibt somit z.T. grenzwertige Hinweise auf eine verminderte Konzentrationsfahigkeit, was jedoch im Gegensatz zum klinischen Erscheinungsbild und im Gespräch erhobenen psychopathologischen Untersuchungsbefund steht.

3. Demenztest
(…)Hierbei wird eine Punktzahl von 15 erreicht. Dies entspricht einer altersgemäßen kognitiven Leistung.

Vlll. Zusammenfassung, gutachterliche Bewertung und Beantwortung der Beweisfra1. Im Sozialgerichtsverfahren S 14 R 95112:

1. Welche wesentlichen Gesundheitsstörungen liegen vor?

Zunächst besteht bei Herrn Camper eine Erkrankung des Herzens nach angeborenem Herzfehler. Wie im fachärztlichen Gutachten des Internisten Herrn Dr. Auspeitsch vom 19.07.2011 dargestellt besteht ein "angeborener Herzfehler, eine sog. Fallot-Pentalogie. Erstmalige Herzoperation mit VSD- Verschluss und Pulmonalarteriensprengung 1964. 2004 wurde in Augsburg ein persistierendes Foramen ovale mit Schirmchen verschlossen .... Im Februar 2005 wurde eine erfolgreiche Ablation bei verborgenem WPW -Syndrom (Herzrhythmusstörungen) durchgeführt. Die Herzerkrankung ist nicht Gegenstand meiner nervenärztlichen Begutachtung.

Herr Camper gibt weiterhin an, er leide unter einer arteriellen Verschlusskrankheit der Beineo Er schildert hierzu charakteristische Beschwerden mit Auftreten von Schmerzen in beiden Waden beim Laufen nach einer Gehstrecke von 50 m, die dann eine Pause erforderten. Auch dieses Krankheitsbild ist auf intemistischem Fachgebiet zu beurteilen, insbesondere bezüglich des Ausprägungsgrads und der resultierenden funktionellen Beeinträchtigungen. Für meine Gesamtbeurteilung halte ich fest, dass bei Herrn Camper eine periphere arterielle Durchblutungsstörung der Beine besteht. In Zusammenhang hiermit stellt sich auf neurologischem Fachgebiet jedoch die Frage, ob eventuell auch eine Nervenschädigung an den Beinen, z.B. in Form einer Polyneuropathie bei Diabetes mellitus vorliegt. Bei mir jetzt durchgeführte elektroneurographische Diagnostik des Nervus tibialis und des Nervus suralis beidseits ergibt diesbezüglich grenzwertige Befunde. Bei normalem körperlich neurologischen Untersuchungsbefund mit fehlenden Sensibilitätsstörungen an den Beinen, auch normal erhaltendem Vibrationsempfinden an den Füßen 'und normalem Reflexstatus ist eine Polyneuropathie zumindest mit funktionellen Auswirkungen nicht zu diagnostizieren.

Als Nebenbefund ergibt sich auf neurologischem Fachgebiet der Nachweis eines leichtgradigen Karpaltunnelsyndroms an der rechten Hand (Schädigung des N .medianus im Bereich des Handgelenks) wie auch schon in einem Vorgutachten des Nervenarztes Herrn Dr. Hirnklempner vom 07.08.2007 diagnostiziert. Bei nur grenzwertig pathologischen elektroneurographischen Befunden des N.medianus und fehlenden Sensibilitätsstörungen oder Paresen bei der neurologischen Untersuchung hat das Karpaltunnelsyndrom rechts derzeit keine wesentlichen funktionell relevanten Einschränkungen zur Folge.

Der oben bereits angesprochene Verschluss eines offenen Foramen ovale mittels SchirmchenImplantation am 16.03.2004 war im Anschluss an einen beidseitigen Thalamusinfarkt am 17.02.2004 wahrscheinlich embolischer Genese erfolgt (siehe Arztbrief aus der 1. Medizinischen Klinik Augsburg vom 20.04.2004). Herr Camper selbst empfindet subjektiv keine Folgen des Thalamusinfarktes von 2004. Am 29.08.2007 kam es - fraglich in Folge einer Panikattacke in einem Bus - zu einer transitorisch ischämischen Attacke im Mittelhirn bei Verdacht auf Basilarisspitzenthrombose (siehe Arztbrief aus der Neurologie Augsburg vom 30.08.2007). Herr Camper wurde beschwerdefrei entlassen und berichtet auch selbst mir gegenüber nicht über Folgesymptomatik dieser erneuten cerebralen Ischämie.

Bei meiner jetzigen neurologischen Untersuchung ergibt sich auch kein Nachweis bleibender Folgen cerebraler Ischämien.

Auf nervenärztlichem Fachgebiet im Vordergrund stehen psychische Beschwerden. Zu subjektiven Symptomen berichtet Herr Camper über situationsabhängige Angstattacken und eine unzufriedene und bedrückte Stimmungslage verbunden mit einer Antriebsminderung bezüglich ungeliebter Aktivitäten seit vielen Jahren. Erheblich beeinträchtigt fühlt er sich durch "Langeweile" bei längeren Wartezeiten in seiner Berufstätigkeit als Taxifahrer. Angstattacken treten situationsabhängig auf in engen Räumen, insbesondere bei Anwesenheit vieler Menschen, so auch in vollen Kaufhäusern, in vollen öffentlichen Verkehrsmitteln, in seinem Taxi wenn mehr als zwei Gäste anwesend sind. Es besteht keine anhaltende Angst. In Übereinstimmung mit der nervenärztlichen Vorgutachterin Frau Dr. Irrwisch (siehe deren Gutachten vom 29.05.2007) diagnostiziere ich die Angstsymptomatik im Sinne der ICD-I0 als Agora- / Klaustrophobie (F 40.0). Auch Frau Dr. Irrwisch Diagnose einer Dysthymia (ICD-I0 F 34.1) ist zu bestätigen, wenn auch jetzt nur leicht ausgeprägt. Es besteht eine chronische dysthyme Verstimmung verbunden mit einer Antriebsstörung bezüglich ungeliebter Aktivitäten. Dabei besteht auch eine Grübelneigung, zeitweise verbunden mit Schlafstörungen. Eine tiefergehende depressive Verstimmung zeigt sich bei meiner jetzigen Untersuchung jedoch nicht. Herr Camper ist affektiv durchaus schwingungsfähig. Es bestehen auch keine Anhedonie, kein Interesseverlust, derzeit keine Gefühle' des Lebensüberdrusses. Eine stärker ausgeprägte depressive Erkrankung ist nicht zu diagnostizieren.

Die Angsterkrankung und insbesondere die Dysthymie haben sich entwickelt auf Boden einer letztlich im Vordergrund stehenden Persönlichkeitsstörung. Die Diagnose einer "Persönlichkeitsstörung" wird auch von dem seit vielen Jahren behandelnden Nervenarzt Herrn Dr. Kreisch in seinem aktuellen ,Befundbericht an das Sozialgericht Augsburg vom 25.04.2012 mitgeteilt. Schon nach einem Suizidversuch nach Scheitern einer Partnerschaft 1979 war nach einer stationären Behandlung im Bezirkskrankenhaus Günzburg vom 08.03. bis 19.04.1979 eine Persönlichkeitsstörung mit infantilen und narzisstisch labilen Zügen diagnostiziert worden. Nach einer stationären Behandlung im Bezirkskrankenhaus Augsburg vom 25.07. bis 11.09.2003 im Anschluss an eine Suizidandrohung lautete die psychiatrische Diagnose "paranoide Persönlichkeitsstörung mit querulatorischen Zügen (ICD-l 0 F 60. 0)". Auch nach einer letzten stationären Rehabilitationsmaßnahme in der Fachklinik Ortenau vom 27.07. bis 21.09.2011 wurde eine "kombinierte Persönlichkeitsstörung (narzisstische und paranoide Anteile, F 61)" diagnostiziert. Eine Persönlichkeitsstörung ist auch gutachterlich anerkannt. Der Nervenarzt Herr SaUf diagnostiziert in seinem Gutachten vom 18.10.2004 eine "Persönlichkeitsstörung mit erheblicher sozialer Anpassungsstörung, psychovegetative Störung mit Somatisierung von erheblichem Krankheitswert" und sieht diesbezüglich auch eine hirnorganische Komponente nach Sauerstoffminderversorgung in der Kindheit infolge des Herzfehlers.

Auch die Gutachterin Frau Dr. Irrwisch diagnostiziert in ihrem Gutachten vom 29.05.2007 eine "kombinierte Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen, querulatorischen und paranoiden Anteilen (ICD-I0: F 61.0). Im nervenärztlichen Gutachten von Frau Dr. Güllenbach vom 12.08.2006 wird eine "Anpassungsstörung mit Zustand nach längerer depressiver Reaktion ICD-lO F 43. 21, narzisstische Persönlichkeitsstörung mit querulatorischen Anteilen ICD-I0 F 60. 8 und paranoiden Anteilen" diagnostiziert.

Auch nach meiner jetzigen gutachterlichen Anamneseerhebung und Untersuchung ist die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung zu bestätigen, wobei ich sthenische, und im Sinne der ICD-I0 paranoide Persönlichkeitszüge im Vordergrund sehe, daneben aber auch narzisstische Persönlichkeitszüge. Nach ICD-I0 ist eine kombinierte Persönlichkeitsstörung (F 61. 0) zu diagnostizieren.

Pathogenetisch gehe ich von einer psychoreaktiven Genese infolge ungünstiger Entwicklungsbedingungen in Kindheit und Jugend vor allem infolge der schweren Herzerkrankung neben einer genetisch vorgegebenen Disposition aus. Eine von Herrn SaUf in seinem nervenärztlichen Gutachten vom 18.10.2004 angenommene hirnorganische Komponente ist für mich zumindest nicht zu belegen. Die neurologische Diagnostik ergibt keinen Hinweis auf eine hirnorganische Erkrankung. Kognitive Störungen, die auf eine himorganische Schädigung hinweisen könnten, sind zumindest nicht in eindeutig krankhafter Ausprägung nachzuweisen; der leicht auffällige testpsychologische Befund beim C.I.- Test ist bei Berücksichtigung des klinischen Bilds und des im Untersuchungsgespräch erhobenen psychopathologischen Untersuchungsbefunds nicht beweisend krankhaft wertbar. Auch eine Affektlabilität, wie diese häufig bei organischen Persönlichkeits störungen gesehen wird, zeigt sich nicht. Somit kann eine himorganische Komponente der Persönlichkeitsstörung infolge verminderter cerebraler Sauerstoffversorgung in der Kindheit wohl diskutiert werden, ist aber nicht zu belegen.

Zusammenfassend liegen aus nervenärztlicher Sicht folgende wesentliche Gesundheitsstörungen vor:

- Zustand nach operativer Behandlung eines angeborenen Herzfehlers, Schirmchenverschluss eines offenen Foramen ovale und Ablationsbehandlung wegen Herzrhythmusstörungen.

- Periphere arterielle Verschlusskrankheit der Beine.

- Kombinierte Persönlichkeitsstörung (ICD-I0: F 61. 0).

- Agora- / Klaustrophobie (ICD-I0: F 40.0).

- Leichte Dysthymie (ICD-I0: F 34. 1).

2.

Eine a) erhebliche Gefährdung oder b) bereits eingetretene Minderung der Erwerbsfähigkeit als Taxifahrer sehe ich nicht.


Aufneurologischem Fachgebiet ist kein Befund zu erheben, der zu einer Minderung oder Gefährdung der Erwerbsfähigkeit als Taxifahrer führen könnte. Bei Zustand nach abgelaufenen cerebralen Ischämien ohne bleibende Folgen besteht auch keine akut erhöhte Gefahr einer erneuten cerehralen Ischämie nachdem eine Emboliequelle durch Implantation eines Schirmchens vor einem offenen Foramen ovale erhoben sein sollte und zudem eine medikamentöse Behandlung mit einem Thrombozytenaggregationshemmer in Form von ASS 100 mg täglich erfolgt. Die phobische Störung führt wohl dazu, dass Herr Camper nur zwei Fahrgäste im Taxi transportieren kann, diese Einschränkung ist jedoch mit einer Berufstätigkeit als Taxifahrer offensichtlich vereinbar. Auch derzeit fährt Herr Camper an zwei Tagen pro Woche 7 Stunden Taxi. Auch die Dysthymie ist nach meinem psychopathologischen Untersuchungs befund und bei Berücksichtigung dieser Berufsanamnese nicht so ausgeprägt, dass sie zu einer Gefährdung oder gar Aufhebung der Erwerbsfähigkeit als Taxifahrer führen würde. Im Rahmen der Dysthymie ist wohl auch die Unzufriedenheit mit dem subjektiven Gefühl von "Langeweile" bei längeren Wartezeiten in der Berufsausübung als Taxifahrer zu sehen, eine mögliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit resultiert hieraus jedoch nicht. Es kann von Herrn Camper erwartet werden, dass er trotz dieser UnZl:lfriedenheit seiner Berufstätigkeit weiter nachgeht. In Zusammenhang mit der Dysthymie und vor allem der zusätzlich bestehenden Persönlichkeits störung vorstellbare Probleme in der Kommunikation mit der Fahrgästen bestehen auch nach eigenanamnestischer Darstellung (siehe Seite 6) nicht, sodass auch hieraus keine Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit als Taxifahrer resultiert. Ebenso hestehen zumindest keine so ausgeprägten kognitiven Störungen, dass hieraus eine Gefährdung bei der Berufstätigkeit als Taxifahrer entstünde. Auch während der stationären Rehabilitationsmaßnahme in der Fachklinik Ortenau durchgeführte testpsychologische Diagnostik hatte keine beeinträchtigenden Konzentrationsstörungen erkennen lassen.

Sollten hieran - und damit auch an der allgel)1einen Kraftfahrtauglichkeit - dennoch Zweifel entstehen, wäre Herrn Camper eine weitergehende Überprüfung der Fahrtauglichkeit in einer medizinisch psychologischen Untersuchungs stelle (z.B. des TÜV) zu empfeWen. Vorliegende Untersuchungsbefunde belegen jedoch zunächst keine aufgehobene Fahrtauglichkeit infolge einer Einschränkung der kognitiven Leistungsfähigkeit. Dass auch die Persönlichkeitsstörung mit einer vollschichtigen Berufstätigkeit als Taxifahrer vereinbar ist, zeigt im Übrigen auch die Berufsanamnese. Die Persönlichkeitsstörung besteht schon seit Jugend an, auch wenn diesbezüglich im Laufe der letzten Jahre eine Akzentuierung eingetreten sein mag.

Dennoch konnte Herr Camper auch mit dieser pathologischen Persönlichkeitsstruktur nicht nur andere Berufe über viele Jahre hin, sondern auch den Beruf des Taxifahrers bis Dezember 2010 vollschichtig ausführen:

Die in der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung nach stationärer Rehabilitationsmaßnahme der Fachklinik Ortenau vom 27.07. bis 21.09.2011 angenommene Minderung der zeitlichen Leistungsfähigkeit im Beruf als Taxifahrer auf unter 3 Stunden täglich wird für mich nicht überzeugend begründet, zumal für den Beruf als Fahrer auch mit Personenbeförderung andererseits eine Leistungsfähigkeit von 6 und mehr Stunden täglich angenommen wird. In der Annahme einer venninderten zeitlichen Leistungsfähigkeit als Taxifahrer schließt man sich soweit für mich nachvollziehbar in der Fachklinik Ortenau Herrn Campers eigener Begründung an, wonach "Langeweile" bei Wartezeiten als spezifischer Stressfaktor zu Affektregulationsstörungen und vennindertem Durchhaltevennögen führe. Eine gestörte Affektkontrolle kann ich jedoch nicht feststellen. Auch werden von Herrn Camper hierdurch vorstellbare Konflikte mit Fahrgästen ausdrücklich verneint.

3. Ausschlussgründe:

Ambulante Heilbehandlung in Form weiterer nervenärztlicher Behandlung, möglichst auch weiterer psychotherapeutischer Behandlung ist angezeigt. Es ist auch davon auszugehen; dass eine solche Therapie die" Berufsfähigkeit als Taxifahrer aufrechterhält. Eine Krankenhausbehandlung ist derzeit nicht erforderlich.

4. Nach Beantwortung der Fragen 2. und 3. ist die Frage nach Erfolgsaussichten von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht zu beantworten.

5. Weitere fachfremde Untersuchungen zur Abklärung des Anspruchs auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben halte ich nicht für erforderlich.

II.

1. Welche dauernden Funktionsbeeinträchtigungen, die auf einem regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustand beruhen liegen vor? Unter Bezugnahme auf die Ausführungen zu I. sind folgende funktionell beeinträchtigende Gesundheitsstörungen zu benennen:

- A Zustand nach operativer Behandlung eines angeborenen Herzfehlers, Schirmchenverschluss eines offenen Foramen ovale und Ablationsbehandlung wegen Herzrhythmusstörungen.

- B Periphere arterielle Verschlusskrankheit der Beine.

- C Kombinierte Persönlichkeitsstörung (ICD-lO: F61. 0).

- D Agora- / Klaustrophobie (ICD-l 0: F 40.0).

- E Leichte Dysthymie (ICD-I0: F 34.1).

2. Folgende Grade der Behinderung ergeben sich hieraus:

a) durch jede einzelne dieser Behinderungen:

Durch A: Einzel-GdB 30.

Bezüglich dieser für mich fachfremden Erkrankung übernehme ich die bisherige Einschätzung von Seiten des Versorgungsamts.
Durch B.: Einzel-GdB 20.
Bezüglich dieser für mich fachfremden Erkrankung beziehe ich mich auf die bisherige Einschätzung von Seiten des /Versorgungsamts.
Durch C, D und E: Einzel-GdB 30.

Ich empfehle die gemeinsame Erfassung der Gesundheitsstörungen B, C und D, die auch als seelische Störung zusammengefasst werden können, mit einem Einzel-GdB, da sich diese Gesundheitsstörungen nicht nur in ihrer Pathogenese, sondern vor allem in ihren funktionellen Auswirkungen weitgehend überlagern.

Der Einzel-GdB für die seelische Störung ist unter Bezugnahme auf die VersorgungsmedizinVerordnung wie Neurosen, Persönlichkeitsstörungen und Folgen psychischer Traumen zu bewerten.

Anzuerkennen ist, dass die psychischen Erkrankungen in ihrer Gesamtheit, insbesondere aber die vorliegende Persönlichkeitsstörung doch eine wesentliche Einschränkung der Erlebnisund Gestaltungsfähigkeit zur Folge haben, sodass der GdB im Bereich von 30 bis 40 einzuschätzen ist. Probleme im beruflichen Bereich sind auf grund der psychischen Erkrankungen wiederholt aufgetreten, die Ehe ist gescheitert, auch die jetzige Partnerschaft ist unbefriedigend, soziale Kontakte wurden reduziert, so dass zumindest nicht nur eine leichtere psychovegetative oder psychische Störung vorliegt. Andererseits kann Herr Camper seinen Beruf als Taxifahrer jedoch weiter ausüben - wie oben dargestellt und auch anhand der Berufsanamnese zu erkennen_ Auch hält er die Partnerschaft trotz Problemen aufrecht. Er hat weiterhin Hobbys und Interessen, fährt jährlich etwa 5 Wochen zu einem Campingurlaub. Herrn Campers Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit ist damit nicht bereits an der Grenze zur schweren Störung zu sehen und daher meines Erachtens mit einem GdB von 30 zu bewerten, wie dies auch schon von Frau Dr. Irrwisch in ihrem Gutachten vom 29.5.2007 gesehen wurde. Die von Herrn Dr. Zoffmann in einer Stellungnahme vom 17.10.2011 vorgeschlagene Erhöhung des Einzel-GdB für die seelische Störung von 30 auf 40 halte ich aus den oben dargestellten Gründen für nicht gerechtfertigt. Herr Dr. Zoffmann begründet seine Empfehlung für eine Erhöhung des Einzel-GdB auch damit, dass Herr Camper aus der Reha-Maßnahme in der Fachklinik Ortenau bis September 2011 als weiterhin arbeitsunfähig mit Empfehlung einer beruflichen Reha-Maßnahme entlassen worden sei.

Diese abschließende sozialmedizinische Bewertung aus der Fachklinik Ortenau halte ich jedoch nach meinen obigen Ausführungen (siehe Seite 23) f ür nicht nachzuvollziehen. Auch mag die höhere Bewertung des Einzel-GdB durch Herrn Dr. Zoffmann daraus resultieren, dass er seine Beurteilung nur nach Aktenstudium vornahm, nicht aufgrund einer persönlichen Untersuchung, die bei mir jetzt auch im psychopathologischen Querschnittsbild nur geringe pathologische Auffälligkeiten zeigt, was ebenfalls gegen die Anerkennung eines GdB von 40 spricht.

Die genannten Einzel-GdB sind ab 31.05.2011 und ab Untersuchung anzunehmen.

b) Unter Einbeziehung aller Behinderungen ergibt sich ein Gesamt-GdB von 50.
Die Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen durch die Gesundheitsstörungen A und B wirken sich aus in Form einer verminderten körperlichen Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit. Anders geartet sind die Beeinträchtigungen durch die psychischen Erkrankungen, die sich vor allem in Beeinträchtigungen der sozialen Kommunikation, verminderter Lebensfreude und einer Einschränkung von Entfaltungsmöglichkeiten auswirken, sodass eine deutliche Erhöhung des GdB durch zusätzliche Berücksichtigung der Gesundheitsstörungen C, D und E vorzunehmen ist. Damit ergibt sich die Anerkennung eines Gesamt-GdB von 50. Der von Herrn Dr. Zoffmann vorgeschlagene Gesamt-GdB von 60, der dann auch im Abhilfebescheid vom 19.10.2011 übernommen wurde, wäre nur angebracht bei Anerkennung eines Einzel-GdB von 40 für die seelische Störung, was jedoch wie oben ausgeführt nicht gerechtfertigt ist.

Der Gesamt-GdB von 50 ist ab 31.05.2011 und ab Untersuchung anzuerkennen.

3.

Auf nervenärztlichem Fachgebiet ist keine Gesundheitsstörung zu diagnostizieren und kein Befund zu erheben, der zu einer wesentlichen Einschränkung des Gehvermögens führen würdeo Aus rein nervenärztlicher Sicht kann Herr Camper die üblichen Fußwege im Ortsverkehr (ca. 2 km /30 min ohne Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse) ohne erhebliche Schwierigkeiten oder Gefahren für sich oder andere zurücklegen.

Er berichtet wohl mir gegenüber über Wadenschmerzen nach einer Gehstrecke von 50 m, die ihn dann zu einer Pause zwingen. Diese geschilderte Symptomatik ist jedoch nicht auf eine neurologische Krankheit zurückzuführen. Vorstellbar wäre diese Beeinträchtigung im Rahmen der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit der Beine, sodass hierzu auf internistischem Fachgebiet Stellung zu nehmen ist. Es sei in das Ermessen des Sozialgerichts gestellt, dies durch ein internistisch / angiologisches Fachgutachten überprüfen zu lassen, auch wenn der bei mir erhobene Pulsstatus an den Füßen mit beidseits schwach tastbaren Fußpulsen aus fachfremder Sicht eher gegen eine fortbestehende in der Gehfähigkeit erheblich beeinträchtigende periphere arterielle Durchblutungsstörung nach ileofemoraler Bypass Operation am rechten Bein (siehe internistisches Gutachten von Herrn Dr. Auspeitsch vom 19.07.2011) spricht.

Dr. med. Thomas Richtstätt
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RE: OLG München 5St RR (II) 60/10 zerfetzt Verurteilung Unterhaltspflichtverletzung - von p__ - 30-11-2012, 17:07

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