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OLG München 5St RR (II) 60/10 zerfetzt Verurteilung Unterhaltspflichtverletzung
Hier der in der Stellungnahme der Staatsanwältin erwähnte Beschluss. Gern zitiert, aber bisher nur kostenpflichtig aufzurufen. Vom Camper jetzt direkt beim Gericht angefordert.

Aktenzeichen: 5St RR 160/08 OLG München vom 2.9.2008, 5. Strafsenat unter Mitwirkung der Richterin am Oberlandesgericht Nötzel als Vorsitzende sowie des Richters am Oberlandesgericht Dr. Dauster und der Richterin am Oberlandesgericht Thalheim.

Beschlossen wurde:

I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 10. März 2008 mit den Feststellungen aufgehoben.
II. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Kempten (Allgäu) zurückverwiesen.

Gründe:

I. Das Amtsgericht Kaufbeuren hat den Angeklagten mit Urteil vom 19. November 2007 wegen Verletzung der Unterhaltspflicht zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt. Die dagegen vom Angeklagten eingelegte Berufung hat das Landgericht Kempten (Allgäu) mit Urteil vom 10. März 2008 verworfen.
Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts.

II. Die gemäß §§ 341, 344 StPO zulässige Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg, weil die in den Urteilsgründen getroffenen tatsächlichen Feststellungen lückenhaft sind und deswegen die Verurteilung wegen zweier rechtlich zusammentreffender Vergehen der Verletzung der Unterhaltspflicht nicht zu tragen vermögen, § 337 Abs. 2 StPO.

1. Die Urteilsgründe enthalten nicht die Tatsachen, aufgrund derer der Umfang der Unterhaltspflicht festgestellt werden könnte.

Der Strafrichter hat ohne Bindung an vorliegende einschlägige zivilrechtliche Erkenntnisse die Unterhaltspflicht des Angeklagten, deren Verletzung ihm angelastet wird, der Höhe nach eigenverantwortlich festzustellen (vgl. Fischer StGB, 55. Aufl. § 170 Rn. 5). Der Umstand, dass insoweit zivilgerichtliche Erkenntnisse existieren und der Angeklagte diese nicht erfüllt hat, erlaubt dem Strafrichter nicht den Schluss auf eine Unterhaltspflichtverletzung im Sinne des § 170 Abs. 1 StGB (BayObLG vom 26.6.2002 Az. 5St RR 167/02 zitiert nach juris, Rn. 21).
Das Urteil des Landgerichts stellt hierzu lediglich fest, der zivilrechtlich geschuldete Unterhalt betrage aufgrund Beschlusses des Amtsgerichts K. vom 5. August 2002 für das Kind A. 291 € und für das Kind J. 247 € (BU S.6). Dies wird den genannten Anforderungen nicht gerecht. Das Maß des zu gewährenden Unterhalts bestimmt sich nach der Lebensstellung des oder der Bedürftigen (§ 1610 Abs. 1 BGB), wobei für die Unterhaltsberechnung für Kinder Bedarfstabellen berücksichtigt werden können, die dann jedoch im Urteil angegeben werden müssen (BayObLG vom 22.8.2000 Az. 5St RR 236/00 zitiert nach juris, Rn. 6). Zu den für die Feststellung der Unterhaltspflicht maßgebenden Tatsachen gehören ferner auch die Umstände, die die Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber minderjährigen Kindern erweitern (§ 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB) oder begrenzen (§ 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB). Das Landgericht hätte deswegen trotz ihrer Berufung auf ein Zeugnisverweigerungsrecht auch Feststellungen über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Mutter treffen müssen, ungeachtet der Tatsache, dass sie ihren Unterhaltsanteil in der Regel durch die Gewährung von Pflege und Erziehung erbringt (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB, vgl. auch BayObLGSt 1961, 260/261).

2. Auch die Feststellungen des Landgerichts zur Leistungsfähigkeit des Angeklagten sind nicht ausreichend.
Neben zahlenmäßigen Angaben über tatsächliche oder mögliche Einkünfte und Verpflichtungen des Angeklagten muss im Urteil der notwendige Eigenbedarf mitgeteilt werden (OLG München, Beschluss vom 4.5.2005, Az: 5St RR 011/05 [nicht veröffentlicht] S. 3). Das Landgericht teilt hierzu lediglich mit, der Angeklagte habe es trotz guten Einkommens „weit über dem notwendigen Selbstbehalt“ auf Lohnpfändungen ankommen lassen. Von welchem notwendigen Eigenbedarf das Landgericht betragsmäßig ausgeht, wird nicht dargelegt. Sollte sich eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit ergeben, sind Ausführungen darüber unerlässlich, welcher Betrag dem Unterhaltspflichtigen letztlich belassen werden muss und welchen Betrag er jeweils mindestens hätte leisten können (OLG München, aaO, S. 5).
Wegen der aufgezeigten Rechtsfehler war das angefochtene Urteil auf die Sachrüge mit den Feststellungen aufzuheben, § 353 StPO.
Nach § 354 Abs.2 Satz 1 StPO war die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Kempten (Allgäu) zurückzuverweisen.
Die Entscheidung des Senats ergeht nach § 349 Abs.4 StPO.



Erstens untermauert das eher die Argumentation von Camper und zweitens setzt die Staatsanwaltschaft fehlerhafterweise (absichtlich) voraus, dass diese Entscheidung wie ein Lehrbuch jeden für eine Verurteilung einzelnen nötigen Punkte enthält. Tatsächlich kann sie aber nur die strittigen oder wenigstens fehlenden Punkte enthalten.
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RE: OLG München 5St RR (II) 60/10 zerfetzt Verurteilung Unterhaltspflichtverletzung - von p__ - 12-06-2012, 17:01

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