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OLG München 5St RR (II) 60/10 zerfetzt Verurteilung Unterhaltspflichtverletzung
#7
Hier das vorausgegangene Urteil des Landgerichts, das das OLG zerrissen hat:

Geschäftszeichen 4 Ns 101 Js 115166/08
Im Namen des Volkes
Urteil
Die 4. Strafkammer des Landgerichts Augsburg erkennt im Strafverfahren gegen
XXXX
XXXX
Geschiedener deutscher Taxifahrer
XXXX
wegen Verletzung der Unterhaltspflicht
in der öffentlichen Sitzung vom 1.9.2009
an der teilgenommen haben
Vorsitzender am Landgericht XXXX
Als Vorsitzender Richter
XXXX
Als Schöffen
Staatsanwalt XXXX
Als Vertreter der Staatsanwaltschaft
Rechtsanwalt XXXX
Als Verteidiger
JAng XXXX
Als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Aufgrund der Hauptverhandlung zu Recht
Die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 25.5.2009 wird kostenpflichtig verworfen.
Gründe:

I.
Der Angeklagte wurde mit dem Urteil des AG Augsburg vom 25.5.2009 wegen Verletzung der Unterhaltspflicht zur Freiheitsstrafe von 4 Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.
Die hiergegen form- und fristgerecht eingelegte, auf Freispruch gerichtete Berufung des Angeklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

II.
Der geschiedene Angeklagte ist gelernter Bürokaufmann und derzeit als Taxifahrer tätig mit einem monatlichen Nettoeinkommen von ca. 1000 €. Er ist nicht vorbestraft und hat 3 Kinder im Alter von 27,22 und 18 Jahren.
Der Angeklagte ist bereits seit vielen Jahren der Unterhaltspflicht gegenüber seinen Kindern nicht nachgekommen. Mit Vergleich vom 25.3.2003 verpflichtete er sich zur sofortigen Zahlung des laufenden Unterhaltes ab 1.1.2003 und Tilgung der Unterhaltsrückstände seit 1.1.2001, zahlte aber weiterhin nicht. In dem, am 18.10.2004 gegen den Angeklagten eröffneten Verbraucherinsolvenzverfahren wurden die bis dahin aufgelaufenen Unterhaltsrückstände zur Insolvenztabelle angemeldet. Mit dem Urteil des OLG München vom 31.7.2007, dass die seit April 2003 aufgelaufenen Unterhaltsrückstände auf unerlaubter Handlung beruhen. Für eine Abänderungsklage hinsichtlich der Unterhaltsverpflichtung erhielt der Angeklagte mangels Erfolgsaussicht keine Prozesskostenhilfe. Er hat dann die beabsichtigte Klage nicht weiter verfolgt.

III.
Der Angeklagte ist als Vater des Kindes XXXX, geboren am XXXX, das bei der Mutter in der XXXXX, in XXXX lebt, gesetzlich zum Unterhalt verpflichtet. Der Unterhalt beträgt nach dem Vergleich vom 25.3.2003 monatlich 300 €
Verfahrensgegenständlich sind dem Kind XXXX geschuldete Unterhaltszahlungen im Zeitraum vom 1.5.2006 bis 30.4.2009. XXXX hat im Schuljahr 2007/2008 das letzte Schuljahr der Hauptschule wiederholt mit dem vergeblichen Versuch den qualifizierten Hauptschulabschluss zu machen. Eine Lehre als Bäckereifachverkäuferin bei der Firma XXXX hat sie nach 3 Wochen abgebrochen und sucht seither eine neue Lehrstelle. Seit 1.5.2009 hat sie einen 400 € - Job inne.
Der angabegemäß multimorbide Angeklagte erhielt vom 1.5.2006 bis 31.3.2007 Arbeitslosengeld I in Höhe von monatlich 1046,70 €. Lediglich im Zeitraum November/Dezember 2006 waren die Zahlungen taggenau während eines dreiwöchigen Arbeitsversuchs als Außendienstmitarbeiter ausgesetzt. In dieser Zeit erhielt er jedoch Gehaltszahlungen i. H. v. 600 €.Vom 1.4.2007 bis 30.6.2007 bezog der Angeklagte Krankengeld, ebenfalls in Höhe von monatlich 1046,70 €. Für die Zeit vom 1.7.2007 bis 31.10.2007 wurde Ihm Arbeitslosengeld II versagt, weil seine zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Lebensgefährtin sich weigerte, ihre Einkünfte offen zu legen. Daraufhin nahm er sich eine eigene Wohnung und erhielt ab November 2007 811,17 € (bzw. im Dezember2007 791,49 €)bis Juli 2008. Seit 18.7.2008 ist er 8 Stunden täglich für ein Nettogehalt von 1000 € monatlich als Taxifahrer tätig.
Der Angeklagte war mindestens im Zeitraum vom 1.5.2006 bis 31.10.2006, 1.1.2007 bis 30.6.2007 und seit 18.7.2008 jedenfalls teilweise leistungsfähig. Die Kammer geht von teilweiser Leistungsfähigkeit in Höhe von monatlich 200 € aus. Während der 3-wöchigen Lehrzeit der Unterhaltsberechtigten geht die Kammer von Leistungsfreiheit des Angeklagten aus.
Ohne die Hilfe anderer wäre der Lebensbedarf der unterhaltsberechtigten XXXX gefährdet gewesen.

IV.
Die Feststellungen zu I und II und der Erörterung der aktenkundigen Umstände mit diesem. Insbesondere wurden die im Hilfsantrag auf Einvernahme der Geschädigten enthaltenen Behauptungen als wahr unterstellt und zum Gegenstand der Feststellungen gemacht. Die von der Kammer angenommen jedenfalls teilweiser Leistungsfähigkeit i. h. v. 200 € monatlich beruhen darauf, dass der Lebensbedarf des Angeklagten in den Zeiten, in denen er deutlich geringere Leistungen erhielt, ebenfalls gedeckt war. Nachdem der Angeklagte überhaupt keine Zahlungen geleistet hat, war nicht näher zu prüfen, ob der Angeklagte mit geleisteten Zahlungen seiner Unterhaltspflicht in zumutbarer Weise nachgekommen ist.
Soweit der Angeklagte geltend macht, die Unterhaltsberechtigte sei bereits im minderjährigen Alter mit Zustimmung der Mutter verlobt und pendle zwischen dem Haushalt ihrer Mutter und dem ihres Verlobten, den er kürzlich kennengelernt habe und der als Zeitarbeiter 1200 bis 1500 € monatlich verdiene, ist das nicht verfahrensrelevant. Aufgrund eines Verlöbnisses besteht keine anderweitige, der des Angeklagten vorgehende Unterhaltspflicht. Wenn sich die Unterhaltsberechtigte – die Richtigkeit des Vorbringens unterstellt – im leistungsrelevanten Zeitraum im Haushalt ihres Verlobten aufhielt, erbrachte dieser für sie anstelle des Angeklagten, ohne die ihr Lebensbedarf gefährdet gewesen wäre.
Der Angeklagte macht desweiteren geltend, er habe als Schwerbehinderter einen unterhaltsrechtlich relevanten Mehrbedarf von 200 € monatlich. Dieser resultiere aus der Anschaffung von orthopädischen Schuhen und der Notwendigkeit, zur Abwendung von Zuständen, bei denen er wegen einer Persönlichkeitsstörung randalierend und mit Suiziddrohungen werden müsse, Urlaube machen zu müssen. Dem insoweit gestellten Hilfsbeweisantrag der Verteidigung auf Einvernahme der Lebensgefährtin XXXXXXXX des Angeklagten war nicht nachzugeben. Soweit diese etwas zu den Mehraufwendungen sagen soll, die der Angeklagte selbst nicht vorgebracht hat, handelt es sich um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis. Ob dem Angeklagten für orthopädische Schuhe und Urlaub ein unterhaltsrechtlich relevanter Mehrbedarf zusteht, ist eine Rechtsfrage, die dem Zeugenbeweis nicht zugänglich ist.
Ein Mehrbedarf für orthopädische Schuhe ist allenfalls in geringfügigem Umfang zuzubilligen. Falls der Angeklagte nicht ohnehin zwei mal jährlich solche Schuhe auf Rezept bekommt, sind ihm diese zweimal jährlich zuzubilligen. Unter Berücksichtigung von ersparten Aufwendungen für dann nicht benötigte normale Schuhe sind allenfalls 400 € jährlich bzw. 33 € monatlich anzuerkennen.
Was den geltend gemachten Urlaub angeht, sieht die Kammer hier keinen unterhaltsrechtlich anzuerkennenden Mehrbedarf. Die diesbezügliche Einstellung des Angeklagten wird aus der ihm vorgehaltenen Postkarte deutlich, die der Angeklagte der Unterhaltsberechtigten – in nach Aufassung der Kammer allerdings nicht verfahrensrelevanter Zeit – mit süffisantem Hinweis auf seine 6-wöchige Urlaubsreise übersandt hat. Wenn der Angeklagte eine Persönlichkeitsstörung oder sonstige psychiatrische Erkrankung hat, ist ihm zuzumuten, sich zur Abwendung akuter Exazerbationen einer dafür vorgehsehenen prophylaktischen psychopharmakologischen Behandlung zu unterziehen, anstatt sich berechtigten Unterhaltsansprüchen unter Verweis auf Urlaubsbedürftigkeit zu entziehen.
Dass die Verteidigung auch noch meinte, der Tochter des Angeklagten seinen im Hinblick auf ein „Gegenseitigkeitsprinzip“, Unterhaltsansprüche zu versagen, weil sie es an Fleiß und Durchhaltevermögen lassen, in der schulischen Ausbildung versagt und eine Lehre abgebrochen habe, war für die Kammer – gelinde gesagt – eine Zumutung. Wer sich über Jahre hinweg seiner Unterhaltspflicht durch die verschiedensten Maschen unterzieht, sollte äußerste Zurückhaltung dabei üben, einem minderjährigen Kind Versagen und unbotmäßiges Verhalten vorzuwerfen, das ein Schuljahr zur Notenverbesserung und in der Hoffnung auf einen höherwertigen Schulabschluss wiederholt und eine Lehre nach kurzer Zeit abbricht, weil diese nicht das Richtige im Hinblick auf eine lange berufliche Zukunft ist.

V.
Der Angeklagte hats sich durch sein Verhalten der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 170 StGB I schuldig gemacht.

VI.
Der Strafzumessung war der Strafrahmen des § 170 I StGB (Freiheitsstrafe von 1 Monat bis 3 Jahre oder Geldstrafe von 5 bis 360 Tagessätzen) zugrunde zu legen.
Innerhalb des Strafrahmens konnte zugunsten des Angeklagten berücksichtigt werden, dass er den äußeren Sachverhalt, so wie festgestellt eingeräumt hat. Zu seinen Gunsten ist auch eine gesundheitliche Beeinträchtigung und eine persönlichkeitsbedingt querulatorische Gesinnung – ohne dass allerdings Anhaltspunkte für das Vorliegen einer forensisch relevanten, krankheitsbedingten Störung i. S. v. §§ 20, 21 StGB gegeben sind - zu sehen.
Gegen ihn spricht die Hartnäckigkeit und Uneinsichtigkeit mit der er jegliche, auch nur teilweisen Unterhaltsleistungen verweigert hat und für die Zukunft verweigert, und der insgesamt lange Zeitraum jedenfalls bestehender Leistungsfähigkeit.
Bei Abwägung sämtlicher Umstände, die für und gegen den Angeklagten sprechen konnte – auch im Hinblick des § 47 I StGB – trotz erstmaliger Verurteilung eine Geldstrafe den Strafzweck nicht erfüllen und war die Verhängung einer Freitheitsstrafe geboten. Die vom Erstgericht verhängete Freiheitsstrafe von 4 Monaten liegt dabei an der unteren Grenze des Vertretbaren hinsichtlich einer tat- und schuldangemessenen Sanktion.
Ausführungen zur Sozialprognose i. S. v. § 56 I sind im Hinblick auf das Verschlechterungsverbot ( § 331 StPO) obsolet
Kosten § 473 I StPO
XXXX
VRLiG



Der Ton des Urteils zeigt, dass hier mit einer verhetzten Gesinnung rein emotional geurteilt wurde, gleichzeitig hat man die Fakten einfach überspielt oder ignoriert. Der höhnische Stil gegenüber psychischen Erkrankungen zeigt das deutlich. Die Kammer ist -gelinde gesagt- eine Zumutung für das Strafrecht.
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RE: OLG München 5St RR (II) 60/10 zerfetzt Verurteilung wegen Unterhaltspflichtverletzung - von p__ - 17-02-2011, 10:42

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