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Scheidung aus Kindessicht: Hurra, endlich!
#1
ich möchte hier meine geschichte erzählen, und das ist die geschichte einer trennung aus der sicht eines kindes. inzwischen bin ich kein kind mehr, aber die erinnerung ist noch recht frisch und aufgrund eigener erfahrungen beobachte ich das was in diesem forum passiert natürlich mit grosser neugier. schliesslich möchte ich das was bei meinen eltern falschlief nicht selbst wiederholen.

1. die ganz, ganz große liebe
als meine eltern sich kennenlernten war es eine dramatische amour fou. alle, also alle verwandten und bekannten die sich ernsthaft sorgen um die beiden realitätsentschwebten turteltäubchen machten, waren gegen die beziehung. ohne ins detail gehen zu wollen: jedem der seine fünf sinne beisammen hatte war klar, das geht niemals gut. aber die liebe siegte, ein kind war auf dem weg und es wurde noch flugs geheiratet bevor der kleine schreihals das licht der welt erblickte. ein uneheliches kind, so ein übel sollte in jedem falle vermieden werden, der rest sollte sich - so die fromme hoffnung - im laufe der zeit noch fügen. das tat er auch, aber anders als erhofft.

2. die intakte familie
tja, und das war wohl auch - so weit jedenfalls die aussagen aller beteiligten, ich war damals ja noch nicht auf der welt - so ziemlich der zeitpunkt, ab dem es schwierig wurde. zwar gab es danach noch weitere kinder, mich zum beispiel, aber die differenzen zwischen den eltern waren offensichtlich. man lebte eher nebeneinander statt miteinander und versuchte der aussenwelt und den kindern eine schöne heile welt vorzuspielen. so richtig geklappt hatte das jedoch nicht, denn kinder sind ja nicht doof. die haben schon feine antennen für das was wirklich abgeht und verarbeiten das auf ihre weise. jedes der kinder hatte zumindest in der zeit als die familie - wie man so schön sagt, noch "intakt" war - seine eigene verhaltensstörung entwickelt. bei mir waren es regelmäßig wiederkehrende alpträume und diverse nervöse ticks. auch zuckte ich über jahre immer wieder zusammen, wenn der vater nur an mir vorbeiging. was möglicherweise durch seine eher traditionellen ansichten in bezug auf die prügelstrafe begünstigt wurde.

3. ein lebenstraum, das eigene haus
das ganze spielchen ging so alles in allem etwa 10 jahre. dann kam der vater auf die goldige idee ein haus zu bauen. er war der meinung damit der familie einen großen gefallen zu tun. der familie - also frau und kindern - leuchtete das nicht so recht ein. man fügte sich halt ins unvermeidliche, mit einem vater der anderen meinungen als seiner eigenen regelmäßig eher aggressiv begegnete blieb einem ja auch nichts anderes übrig.

4. geld kann man doch leihen
selbstredend wurde das projekt gestartet ohne dass ein pfenning (jaja, lang ist's her) eigenkapital vorhanden war, kann man ja alles finanzieren. das war insofern gut, als der vater für ein jahr praktisch nicht mehr zuhause war. er war auf dem bau und das war dem familienfrieden doch sehr zuträglich. wenn er dann doch einmal auftauchte, gab's ziemlich häufig stress zwischen den eltern. die kinder dienten dann wahlweise als streitobjekt (das kleinste) oder blitzableiter (die größeren), wie das halt so ist, wenn die eltern sich nicht grün sind.

5. das neue heim und ordentlich langer hafer
irgendwann war das haus fertig und wir zogen um. dazu muss man sagen, dass dieses haus in einer anderen ortschaft lag, der baugrund war dort halt' billiger. während wir in unserem heimatort in jeder hinsicht aus kindersicht ideale bedingungen hatten war dies in der neuen heimat nicht mehr der fall. da braucht man auch gar nicht mehr zu erwähnen, dass der grundriss der wohnung nicht kindgerecht war und auch sonst die belange der kinder eher nicht berücksichtigt wurden. meinem persönlichen wohlbefinden durchaus abträglich war zudem die tatsache, dass der konflikt zwischen den eltern immer weiter eskalierte. wenn der vater die körperlich deutlich unterlegene mutter schlägt, empfindet man das als kind - ohne weiter in die ursachenforschung einzusteigen - als zutiefst ungerecht. wobei ich aber auch sagen muss, das ist exakt einmal passiert, eine generell aggressive gesamtstimmung war hingegen nach dem umzug nicht die ausnahme sondern die regel. auch für die kinder gab's unterm strich mehr prügel als zuvor, insofern keine verbesserung durch den neuen standort. auch von der mutter im übrigen, wenn der die nerven blanklagen was in der zeit häufiger vorkam, setzte es auch von ihr halt auch mal was. aber sie war sich - anders als der vater - wenigstens darüber im klaren dass das grundsätzlich nicht in ordnung war, insofern war ich ihr deswegen nie dauerhaft gram. haue von ihr waren im übrigen auch weniger schmerzhaft als haue vom vater.

6. die flucht zu den grosseltern
und eines schönen tages, der vater hatte gerade das haus verlassen, fing' die mutter an unsere sachen einzupacken. die grosseltern waren im anmarsch, um tochter und enkelkinder an einen friedlicheren ort zu verfrachten. ich fand' das anfänglich etwas seltsam, aber beim vater zu bleiben, wäre mir im traum nie eingefallen. natürlich hatte er auch seine positiven seiten und hat uns viele dinge gezeigt zu denen die mutter keinen zugang hatte, aber hand auf's herz: als kind ist man doch ein kleiner egoist. man möchte vor allem anständig ernährt und vernünftig behandelt werden, und wenn man über einen strittigen punkt auch mal normal reden kann, ist das auch sehr angenehm. deswegen war eindeutig klar, ich ging mit der mutter wie alle anderen geschwister auch.

7. neuer kriegsschauplatz familiengericht
damit war erst einmal ruhe im karton, man verlagerte die ehelichen differenzen in richtung famliengericht und jugendamt, was ich aus meiner sicht sehr erfreulich fand, denn damit hatten wir kinder nichts mehr zu tun. aber das war nur ein voübergehender waffenstillstand, denn es tat sich ein neuer zankapfel auf und der hiess umgangsrecht.

8. der besuch des vaters
mein vater war der meinung für den nahezu unanständig hohen unterhalt den er zahlt, auch das recht zu haben, seine kinder regelmäßig sehen zu dürfen. die wirklichkeit belehrte ihn später eines besseren. nebenbei bemerkt: nachdem man sich gerichtlich verglichen hatte war klar, er zahlt nur für die kinder, die frau bekommt nichts. bei allem was man ihm zu recht vorwerfen konnte, die mutter hatte durchaus auch etwas auf dem kerbholz, also gab's für sie keinen unterhalt. bei mir persönlich hielt sich die wiedersehensfreude in engen grenzen, denn es zeichnete sich im vorfeld schon ab, dass diese besuche keine rein harmonische angelegenheit werden würden.

9. vater ist am ende, exe+kinder haben schuld
und so war es denn auch. wir besuchten ihn einige male, aber ich kann mich an keinen einzigen besuch erinnern der unbeschwert ablief. der geballte vaterfrust, dem man seinen lebenstraum - das haus - und die familie genommen hatte entlud sich mehr oder weniger direkt auf die kinder. zur entspannung der lage trug auch die tatsache, dass sein arbeitgeber in diesem zeitpunkt die niederlassung schloss, nicht unbedingt bei. allerdings lief das alles auf verbaler ebene: mal barmte er dass er sich durch die hohen unterhaltszahlungen nicht mal mehr eine kaffeemaschine leisten könnte, mal durften wir uns - also keins der kinder war älter als 12 jahre - sexistische witze über frauen anhören. die grundaussage war klar, "mir geht es schlecht, schuld daran sind frau und kinder (=ihr!)". was seine finanzielle notlage betrifft: das hat mir persönlich eher eine gewisse genugtuung verschafft. er hatte uns durch seine und rücksichtslose art in der vergangenheit nicht selten leiden lassen. tja, und jetzt war eben er an der reihe. das empfand ich als ausgleichende gerechtigkeit.

ausserdem kann man als mann nicht einerseits seinen kindern eisenharte prinzipien einbläuen und andererseits selbst herumjammern wenn's mal nicht so läuft, das passte irgendwie nicht zusammen. seine neue wohnung bekamen wir in der ganzen zeit nie zu sehen, sondern tourten quer durch die republik und schauten uns diverse freizeitparks an. was man halt als vater so macht, wenn man eigenen angaben zufolge wegen geldmangel in einem keller leben muss. informationen aus anderen quellen verorteten seinen wohnsitz aber bei seiner damaligen freundin, das mit dem keller habe ich ihm übrigens nie abgenommen. das haus wurde dann versteigert und die restschuld konnte er mit einer abfindung seines arbeitgebers bezahlen. so wild war es letzten endes dann halt' doch nicht. aber der traum vom kindergeldfinanzierten eigenheim war halt' endgültig ausgeträumt und die schöne abfindung hat die bank bekommen.

10. kinder wollen keinen kontakt mehr
aufgrund der oben beschriebenen umstände wurden die besuche der kinder beim vater immer spärlicher, bis wir ihm letzten endes einen brief schrieben, dass wir keinen kontakt mehr möchten. woran's lag, ob PAS oder der allgemein schwierigen situation sei mal dahingestellt. sicher ist nur: für mich als kind war das eine große erleichterung, ein großer stressfaktor im leben weniger. dass wir zudem auch in ein alter kamen, wo es nicht mehr ganz so spannend ist, mit den eltern was zu unternehmen war sicher ein weiterer faktor.

11. zehn jahre ohne umgang
in den nächsten 10 jahren passierte alles mögliche, umgang zwischen vater und den kindern fand jedenfalls nicht statt. er hat von sich aus noch einmal den kontakt gesucht, aber wir wollten einfach nicht mehr. was ihn, wie ich heute weiss sehr tief verletzt hat. ich machte erst mein abitur, im anschluss den zivildienst und suchte mir einen vom staat bezahlten studiengang, da ich niemandem auf der tasche liegen wollte. an alle KU-empfänger da draussen: ja, das ist möglich, aber dann kann man halt' nicht sozialwissenschaften studieren und muss alles ein bisschen zügiger machen als ein normaler student. so hatte ich also eine gewisse selbstständigkeit und genug distanz zu den geschehnissen und schrieb' dann meinen vater an. seitdem sehe ich ihn regelmäßig, als einziges aller kinder im übrigen. der rest will nach wie vor keinen kontakt mehr.

12. was ich daraus gelernt habe
ich persönlich habe aus den vorfällen einige sachen gelernt, die ich versuche für mein eigenes leben zu berücksichtigen. ob und inwieweit diese allgemeine gültigkeit haben, weiss ich nicht, ist mir aber auch egal.

a) die eltern lügen wie gedruckt
- auch wenn man grundsätzlich ehrliche und anständige eltern hat, die selbiges auch von ihren kindern einfordern, bei einer scheidung gelten andere gesetze. ich bin nachweislich sowohl von meiner mutter als auch meinem vater über bestimmte dinge belogen worden. es wird halt mit allen mitteln versucht im kampf um's kind sich selbst in ein eher gutes und den ex-partner in ein eher schlechtes licht zu stellen. wobei die mutter sich dabei zugegebenerweise etwas geschickter angestellt hat. der bin ich nur mir einer weiteren frau - von hier aus einen schönen gruss an meine hoffentlich nicht mitlesende grossmutter - auf die schliche gekommen.

b) die kinder sind auch keine engel
- in der entsprechenden literatur werden kinder ja immer recht idealisiert dargestellt, vor allem wenn es sich um arme scheidungskinder handelt. die sich nicht zwischen der überbordenden liebe zwischen vater und mutter entscheiden können und so weiter. in meinen augen ist das ein großer quark. ich hatte als kind recht bodenständige bedürfnisse. ich wollte was zu essen, vernünftig versorgt und liebevoll behandelt werden und ansonsten meine ruhe haben. in meinem fall war es halt' die mutter bei der ich mich besser aufgehoben fühlte. insofern gab' es keinen großen loyalitätskonflikt, sondern mir war klar wo ich hingehörte. ich bin vom jugendamt damals befragt worden, wo ich zukünftig leben wolle, bei der mutter oder beim vater.

an alle skeptiker: ob ich damals ein echtes wahlrecht hatte weiss ich natürlich nicht und die umstände dieser befragung waren schon fast filmreif. es waren nicht nur die kinder und der JA-vertreter dabei, sondern auch die mutter und die verwandten mütterlicherseits bei denen wir damals wohnten. also fair gegenüber dem vater war das vorgehen des JA in keinem falle. ich hatte das procedere auch nicht ganz begriffen und dachte ich müsste dem JA-vertreter sachliche argumente liefern, dabei hätte ein schlichtes "ich will bei mama bleiben" durchaus gereicht.

c) eine frau muss finanziell auf eigenen beinen stehen
ich bin der festen überzeugung, dass die finanzielle abhängigkeit meiner mutter zu der misere ganz maßgeblich beigetragen hat. deswegen möchte ich für mich nur eine frau als partnerin haben, die ohne mann überlebensfähig ist und dauerhaft auf eigenen beinen stehen kann und das auch tatsächlich will. tja, ausserhalb von frauenzeitschriften ist sowas eher schwierig zu finden.

d) zusammenbleiben wegen der kinder
- die kinder müssen ja für alles mögliche als entschuldigung herhalten, so auch dafür, dass ehepaare nicht den mumm haben, eine überfällige trennung tatsächlich durchzuziehen. meiner meinung nach ist eine konsequente trennung das beste für's kind wenn die eltern sich nicht mehr verstehen. das zusammenbleiben der kinder willen macht alles nur viel schlimmer, denn die kriegen auf die eine oder die ander weise schon ganz gut mit was läuft. und wenn die eltern nach der trennung nicht zwischen paar- und elternebene unterscheiden können, dann muss eben ein elternteil - meistens der vater - zum wohle des kindes auf dasselbige verzichten. eine unschöne sache, aber kaum zu vermeiden. man kann ein kind ja schlecht in zwei hälften teilen. wenn beide eltern mit aller kraft an jeweils einem bein dran rumzerren und keiner nachgibt ist es zum schaden des kindes, so oder so. wenn das kind größer und selbständiger ist, wird es im normalfall auch den kontakt wieder aufnehmen. dann hat es aber auch ganz andere voraussetzungen und ist von keinem mehr abhängig, das macht vieles einfacher.

tja, das schreibt sich alles so schön einfach, wenn man selber keine kinder hat. mal sehen ob ich's irgendwann besser hinbekomme als meine alten herrschaften, die zeit wird es zeigen.


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