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OLG Celle 17 UF 210/08 Betreuungsunterhalt +
#1
Da hat´s mal wieder einer probiert und ist an den umfangreichen Rechenkünsten eines OLG gescheitert, auch eine Befristung nach § 1578b kommt nicht in Betracht, diesmal elternbezogen.

Zitat:Gericht:
OLG Celle, 17. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 17 UF 210/08
Datum:
06.08.2009
Normen:
BGB § 1570, BGB § 1577 Abs 3, BGB § 1578 Abs 3, BGB § 1578 b Abs 1, BGB § 1578 Abs 3
Schlagwörter:
Betreuungsunterhalt, Herabsetzung, eigene Lebensstellung des Berechtigten, Altersvorsorgebedarf.
Leitsatz:
1. Neben der Betreuung von zwei – 11 Jahre und 14 Jahre – alten Schulkindern ist der Betreuungselternteil aus elternbezogenen Gründen auch dann noch nicht zur Ausübung einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit verpflichtet, wenn die Kinder nach der Schule ganztägig in einer geeigneten Tagespflegestelle betreut werdenkönnten.
2. Zur unterhaltsrechtlichen Behandlung eines Geldvermögens, welches dem berechtigten Ehegatten nach Scheidung der Ehe im Wege der Erbschaft zugeflossen ist.
3. Wird der Unterhalt auf einen angemessenen Lebensbedarf herabgesetzt, indem er auf einen Nachteilsausgleich nach der eigenen Lebensstellung des Berechtigten beschränkt worden ist, umfasst der Unterhaltsbedarf auch den Altersvorsorgebedarf (Anschluss OLG Bremen FamRZ 2008, 1957).

OLG Celle: 17 UF 210/08 , Volltext

Zitat:Die Beurteilung, ob der Beklagten im Hinblick auf die mögliche Dauerhaftigkeit ihrer ehebedingten Nachteile unterhaltsrechtlich vorgeworfen werden kann, nach dem Entstehen einer zunächst teilschichtigen Erwerbsobliegenheit nicht wieder in den erlernten Beruf zurückgekehrt zu sein, sondern eine ausbildungsfremde Tätigkeit mit (möglicherweise) geringeren Aussichten auf eine berufliche Aufstiegsfortbildung aufgenommen bzw. fortgesetzt zu haben, muss einem späteren Abänderungsverfahren vorbehalten bleiben.

Tschüß, bis zum nächsten Mal! Tongue
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#2
Das OLG Celle hält eine "Übergangsfrist" zum Vollzeiterwerb von 1,5 Jahren für angemessen.
Die Ehe dauerte 6 Jahre, die Kinder sind 11 und 14 Jahre alt.

In blumigen Worten attestiert das OLG Celle sodann den erhöhten Betreuungsbedarf der 11jährigen aus Altersgründen:

Zitat:(...) den persönlichen Zuspruch des Elternteils und dessen persönliche Anteilnahme an den täglichen Erfolgs und Misserfolgserlebnissen des Kindes in Schule und Freizeit (...)

, macht quasi die doppelte Hahne,

und -schwupps- ist die Vollzeit-Erwerbsobliegenheit dahin, bzw. auf 2/3 gesenkt.

Kann man auch kopieren und in andere Urteile einsetzen, weil es immer zutrifft.
Somit bleibt die alte 0/8/15-Regel mit ganz viel Luft nach oben.

Zahlesel hat EUR 3.886,- und zahlt KU 759,-, verbleiben, abzüglich 1/7, EUR 2.422,-.
Muddi macht EUR 720,- im Monat mit 20h. Fiktiv werden ihr EUR 245 raufgeschlagen, macht EUR 965,-.
Betreuungskosten werden geltend gemacht und mit EUR 50,- dem Vater aufgebrummt. (Raus aus dem BU, steuerlich "neutral" und Vater Staat freut sich).
Die Reitferien zahlt der Unterhaltsverpflichtete nicht, daher wird Muddi der Tochter wohl sagen müssen, daß Reiten jetzt ausfällt, weil Erzeuger nicht zahlt.
Muddi hat auch kaum Geld:

Real EUR 720,- + KU 759,- + KiGe 328,- = EUR 1.807,- - nicht schlecht für 20h arbeiten die Woche, wie ich meine.

Und jetzt der OLG Celle-Knaller: Muddi hat EUR 110.000,- geerbt, aber Einfluß auf den Unterhalt wird das natürlich nicht haben, obwohl Zahlarsch nada auf der Naht hat.
Wie geht das? Guckst Du hier:
- (...) der in überdurchschnittlich guten Einkommensverhältnissen lebende Kläger (...)
Nach KU EUR 2.422,- zur Verfügung zu haben ist nach Einschätzung des OLG Celle also überdurchschnittlich, obwohl destatis EUR 3.500,- als mittleres Einkommen für Erwerbstätige definiert. Das ist nicht die einzige Stelle an der das Richterteam voll an der Realität vorbei schwabuliert.
Guckst Du:
- (...) eine Immobilie in Hamburg erworben (...)
Wie? Mit Glasperlen? Bar? Kredit? Offensichtlich ist dem OLG egal, welchen unterhaltsrechtlichen Beitrag diese Immobilie haben soll, ansonsten müssen Zahlen in das Urteil!!! Wahrscheinlich ist aus diesem Grund wohl eher, daß das Schmuckstück Verlust abwirft und sich so negativ auf den Unterhalt auswirken würde.
- (...) Der Kläger zahlt derzeit neben den Höchstbeiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung allein 4.500 EUR im Jahr in die steuerlich geförderte betriebliche Altersversorgung (...)
Na, so ein Arschloch aber auch. Sorgt für sich vor, damit seine Kinder ihn später nicht aushalten müssen, perverses Schwein.
- (...) Ein derartiges Versorgungsniveau kann die Beklagte aufgrund ihrer geringeren beruflichen Qualifikation durch eigene Erwerbstätigkeit erkennbar nicht erlangen. (...)
Und?
Achja: Die Einbahnstraße namens nacheheliche Solidarität (bei ganzen 6(!) Ehejahren).

(...) Eine Verwertung des durch Erbschaft erworbenen Vermögens würde es der mit 41 Jahren noch vergleichsweise jungen Beklagten auch erheblich erschweren, ihrerseits in eine Immobilie zur Altersvorsorge zu investieren.(...)
Das verstehe ich auch nach mehrmaligem Lesen nicht die Bohne.

Aprospos Einbahnstraße: Während bei der Versorgung der Exfrau Vergangenheit und Zukunft komplett eine Rolle spielen ist dies in ihrem Erbschaftsfalle, nicht der Fall: Das OLG sagt, daß das Erbe nach der Scheidung floß und somit keine Auswirkung auf den Unterhaltsbedarf hat.
In der Differenzberechnung fließen dann aber doch gnädigerweise EUR 230,- Zinsen mit ein.

Daher EU: 583,- on Top + Altervorsorge EUR 147,- macht dann

EUR 2.537,- Muddi + Barvermögen EUR 110.000,- (+ daraus Zinsen EUR 230,-)
EUR 1.692,- Zahlarsch + Schulden (bei EUR 3.886,- Netto)

Der hat jetzt wohl auch gelernt, daß das mit der Unterhaltsrechtsreform etwas anders gemeint war, als in der Presse propagiert.

§1578b ist aber ein echter Renner. Hier zum EU:
Zitat:(...) solange noch keine hinreichend sicherere Prognose über den Umfang der künftigen Erwerbsobliegenheit der Beklagten möglich ist (...)

Na, wenn bei einer 11jährigen schon keine Prognose abgegeben werden kann, wie soll das denn erst mit 18 Jahren sein? Achso, ist schon in 7 Jahren, aber dann ziehen ja immer noch die ehebedingten Nachteile...

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#3
(19-10-2009, 07:21)Master Chief schrieb: Nach KU EUR 2.422,- zur Verfügung zu haben ist nach Einschätzung des OLG Celle also überdurchschnittlich, obwohl destatis EUR 3.500,- als mittleres Einkommen für Erwerbstätige definiert.
Hier muss ich Dich leider korrigieren. Die 3.500 sind das durchschnittliche Bruttoeinkommen.

Meiner Meinung nach hat der Kläger zu früh nach seinem letzten Abänderungsversuch erneut eine Abänderungsklage eingereicht. Das hat das OLG wohl ziemlich vergräzt. Ausserdem verdient er in der Tat zu viel, als dass sich der Staat diese Geldquelle entgehen läßt. Wo was zu holen ist, da wird auf jeden Fall abgegriffen.
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#4
Wann ist denn nicht zu früh?
Ich frage mich auch, ob diese Dinger nun wirklich die Regel sind oder nur die Ausreißer nach oben.
Aber gut, ich kann mir die Antwort schon denken.
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#5
Das Prinzip der Reform 1977 war: Beide ehemalige Ehegatten sind nach der Scheidung für sich selbst verantwortlich. Mit ein paar Ausnahmen. Was die Gerichte aus den paar Ausnahmen gemacht haben (mit Zustimmung der Gesetzgeberin!), ist bekannt. Das Spiel ist doch seit Anbeginn immer dasselbe: Die Gesetzgeberin definiert keine anwendbaren Gesetze, sondern eine Rechts-Wolke (Behauptung: Der Einzelfall zähle) und spielt den Gerichten auf diese Weise den Ball zu. Die Gerichte nutzen das, um ein systemimmanenten Unterhaltsmaximierungsprinzip zu fahren. Was ganz im Sinne der Gesetzgeberin ist, spart es doch ein paar Euro Sozialleistungen und unangenehme Arbeitsaufforderungen an faule Exen.

Celle setzt das einfach nahtlos fort. Andere OLGs auch, andere nicht. Es wird sich wieder im Sinne des Unterhaltsmaximierungsprinzips normieren. Ganz simpel und nicht überraschend.
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#6
(19-10-2009, 09:32)p schrieb: Celle setzt das einfach nahtlos fort. Andere OLGs auch, andere nicht.

Genau, Ich lese eben auch nur von den Negativbeispielen, wie Celle und Hamm.
München Naumburg, Brandenburg, Koblenz und Schleswig gehören sicher auch dazu aber welche positiven Beispiele gibt es?
Gibt es sie überhaupt?
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#7
(19-10-2009, 08:06)blue schrieb: Hier muss ich Dich leider korrigieren. Die 3.500 sind das durchschnittliche Bruttoeinkommen.

Zeigt wenigstens, daß Du mitliest Heart.

Durchschnittliches AN-Netto 2007: EUR 2.257,-/Monat (nach VGR).
Macht dann EUR 145,- Differenz, aus dem das Cellaner OLG den "der in überdurchschnittlich guten Einkommensverhältnissen lebende Kläger" macht.

Ist immer noch eine Erwähnung wert, da Mutti nach der Umverteilungsorgie ja selbst drüber liegt (bei 20h-Woche). Danach müßte lt. OLG Cellulitis auch sie nun in "überdurchschnittlich guten Einkommensverhältnissen" leben.

Hurra!!! Alle sind auf einmal reich, die Richter und Anwälte auch!

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#8
(19-10-2009, 10:18)Master Chief schrieb: Hurra!!! Alle sind auf einmal reich, ...
Eben! Es gilt, die Kinderarmut in Deutschland zu verringern. Und bevor Mutter Staat etwas dagegen unternimmt, wird bei dem abgegriffen, der noch etwas zu viel hat. Ansonsten hat p genau das beschrieben, wie es vom Gesetzgeber gehandhabt wird. Billige Gesetze, die der Billigkeit entsprechen. Die Richter machen das dann schon. Bekommt zumindest in diesem Zusammenhang der Begriff "Billigkeit" (für den Staat) eine ganz neue Bedeutung. Wink
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