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Nachehelicher Unterhalt - welche Hürden beim Argument "Krankheit"?
#1
Hallo zusammen,
 
ich bin seit mehreren Monaten hier stiller Mitleser und muss jetzt (leider) in den Aktivmodus schalten, da wahrscheinlich ein gerichtlicher Konflikt am Übergang vom Trennungsunterhalt zum nachehelichen Unterhalt naht. 
 
Die wichtigsten Eckdaten in Kürze:
Auszug Ende 2020, Trennungsjahr vorbei und Scheidung eingereicht. Zwei Kinder in der Düsseldorfer-Tabelle-Klasse 6-11. Die Ehe bestand seit 2010. Aktuell betreuen wir die Kinder in einer strittigen Grauzone von 55:45 zwischen Wechselmodell und erweitertem Umgang (ungut) mit Wechsel mitten in der Woche und am WE. Die Wohnungen liegen 400m Luftlinie entfernt im gentrifizierten Hipsterviertel der Großstadt. 
 
Mit der Geburt des ersten Kindes sind wir beide in unseren erlernten Jobs in Teilzeit gegangen, ich knapp über 30, sie knapp über 20 Stunden, und haben beide keine Aufstiegschancen mehr wahrgenommen. Beides Akademiker, wir wollten beide die Kindererziehung und Haushalt teilen und die Gehälter haben dazu gereicht. Seit 2017, 2018 massive Ehekonflikte, u.a. weil ich im Haushalt zu viel tun musste. Ich bin 2018 wieder in Vollzeit gegangen, um trotz perspektivischer Ausgründung eines 2. Hausstandes in einer Großstadt für ein Wechselmodell (von mir angestrebt) genug "Asche" zu haben, damit man nicht bei den Kindern sparen muss (z.B. Kurse und Hobbies aufrechterhalten). Die Mehrarbeit im Haushalt in der Zeit der Vollzeit wurde in der Zeit nicht von der Mutter, sondern von Haushaltshilfen geleistet.
 
Die Mutter hat diverse Autoimmunerkrankungen und dadurch teils auch Gelenkschmerzen entwickelt. Ich selbst habe einen Bandscheibenvorfall und dauernde Rückenschmerzen und bin auch psychisch nicht gesund aus der Ehe gekommen (mittelschwere Depression). Wir arbeiten allerdings beide in "Redejobs". Würde man mit den Augen einer Berufsunfähigkeitsversicherung sehen, würde man wohl fragen, warum orthopädische Probleme Berater-Jobs unmöglich machen sollten.
 
Und hier naht die Frage: klassischer „Aufstockungsunterhalt“ ist aus der Ehebiographie schwer herzuleiten, so mein Eindruck, da keine ehebedingten Nachteile im Sinne von „Frau hält dem Mann den Rücken frei für Karriere“ oder „Frau arbeitet ausbildungsfern und unterbezahlt“ existieren. Kumuliert habe ich durch die Teilzeit über die Jahre vergleichbar viel „Brutto“ liegen lassen wie sie.
 
Bleibt noch die Krankheit als Unterhaltsbegründung. Im Raum steht, dass die Mutter 5+ Jahre nachehelichen Unterhalt aufgrund ihrer Erkrankung fordert. Info: Es gibt weder einen Behinderungsgrad noch wurde bisher schulmedizinisch behandelt (zB medikamentöse Schmerztherapie, Antikörper oder ähnliches). Hat hier jemand Erfahrung, wie das Dritte / Gerichte sehen würden?

-       V.a. orthopädische Probleme – ein Grund, nicht wieder mehr als 25 Stunden in Beratungsjobs zu arbeiten?
-       Wie wird der Schweregrad einer Erkrankung eingeschätzt, die bisher v.a. mit Hausmitteln (zB Spezialernährung) bekämpft wurde?
-       Aufrechnung von „Krankheit“ – ist meine Depression (diagnostiziert) „gegenzurechnen“ bei Unterhaltsansprüchen?
- Krankheit ohne Gutachten - ist vor Gericht zwingend ein Gutachten nötig um Krankheiten zu belegen? (Mutter meint nein)

Meine Position ist nicht "null Unterhalt". Ein Vorschlag meinerseits war zB, dass ich bei den Kindern auf "erweiterten Umgang" statt Wechselmodell gehe und sie so (mittelbar) bezuschusst wird (wäre DüTab Stufe 5 oder 6 in meinem Fall.) Da wir beide in der Ehe gleichermaßen Federn gelassen haben, bin ich zunächst mal gegen nachehelichen Unterhalt...
 
Danke schon mal für Euren Input – ich hoffe ich habe nichts Sachdienliches vergessen...
 

T
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#2
Die Frage ist, wie sie vor Gericht argumentiert, was sie da noch liefert um ihren Anspruch zu begründen.
Ich nehme an, sie führt §1572 BGB an. Das beruht aber auf einer Minderung der Erwerbsfähigkeit. Dafür sind die jetzigen Voraussetzungen noch nicht gegeben. Erstens wurde keine Minderung der Erwerbsfähigkeit nachgewiesen. Ferner gibt es eine Therapieobliegenheit (siehe Bundesgerichtshof vom 25.10.2006 – Az.: XII ZR 190/03). Der Unterhaltsberechtigte muss Nachweise über erfolgte Heilbehandlungen und Therapiemaßnahmen erbringen.

Es liegt am Unterhaltsforderer, nachzuweisen dass er krankheitsbedingt nicht oder nur eingeschränkt erwerbsfähig ist und dass dies zum Einsatzzeitpunkt bereits der Fall gewesen ist (BGH v. 10.07.2013 – Az.: XII ZB 297/12).

Atteste reichen dafür nicht aus, es wird ein Gutachten verlangt.

Das alles wird der Gegenanwalt deiner Ex erklären und dann kommts drauf an, was sie unternimmt und beibringt, um Ansprüche durchzusetzen.
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#3
Danke p - das klingt jedenfalls schon mal nach mehr Aufwand, als die Gegenseite zur Zeit zu vermuten scheint.

Die Therapieverpflichtung dürfte im Endeffekt das größte Hindernis sein - denn da lief all die Jahre nichts und ich kann mir nicht vorstellen, dass von dieser Haltung jetzt in Richtung Schulmedizin abgerückt wird...
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#4
In meinem Fall lief das einfacher ab: Exe behauptete ein gesundheitliches Problem, der Richter liess ein Gutachten anfertigen (auf meine Kosten, versteht sich) - in diesem Gutachten wurde der Exe bescheinigt, schlechte Laune wegen des Scheidungsstress`s zu haben und vorübergehend eingeschränkt leistungsfähig zu sein.
Das hat genügt, einen lebenslänglichen nachehelichen Unterhaltsanspruch zu begründen. Bei Interesse lasse ich gerne das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart per PN zukommen. Es wurde in den acht Jahren seither auch nie wieder in Frage gestellt - bis heute hat Exe keinen Nachweis ihrer Erwerbsunfähigkeit vorgelegt. Niemand hat ihre Erwerbsunfähigkeit dokumentiert. Die letzten acht Jahre hat die Exe auch keine einzige ärztliche Bescheinigung ("Krankschreibung") mehr vorgelegt. Die Exe wurde zu keinem Zeitpunkt aufgefordert, Therapiebemühungen nachzuweisen. Ich bin seither zwei Mal mit Abänderungsklagen gescheitert.

Ich würde solche Risiken nicht unterschätzen. Hinzu kommt das Opfer-Abo der Frauen, und die Neigung der Familiengerichte einen Vergleich zu suchen - mit der Folge, dass solche angeblichen oder tatsächlichen Krankheits-Szenarien nicht hinterfragt werden ("schliesslich wollen wir ja die Situation befrieden..."). Keine guten Voraussetzungen in deinem Fall.
Bibel, Jesus Sirach 8.1

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#5
Es kann immer schiefgehen, aber bei totality sehe ich das sehr viel entspannter. Alle Verstärkungsfaktoren fehlen, z.B. die lange Ehedauer. Die Ex ist auch nicht von Sozialleistungen abhängig, wenn er nicht zahlt. Von einem Gutachten und Erwerbsminderung ist sie weit entfernt.
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#6
Hallo Austriake,

ja, das Urteil per PN würde mich sehr interessieren. Ich bin ja von Natur aus ein optimistischer Mensch und denke, die vielen "what the f***"-Urteile und Situationen, die in solchen Foren geschildert werden, sind (hoffentlich) nicht repräsentativ, sondern es ist ein bisschen wie bei Amazon-Rezensionen - wer unzufrieden ist äußert sich schneller... ich glaube auch mal gelesen zu haben, dass beispielsweise "Depression infolge von hochstrittiger Trennung" kein Grund für nachehelichen Unterhalt ist...

Ein Risiko bleibt immer, dazu gibt es zu viele Richter und zu viel Auslegungsspielraum im Gesetz. 

Die Ex und ich sind noch in Gesprächen, so dass noch eine kleine Resthoffnung besteht, dass sie sich mal mit der Gesetzeslage und einschlägigen Urteilen befasst und es sein lässt. Das hängt auch sehr von ihrem Anwalt ab. Infolge Corona müssten die Familienrechtler eigentlich genug zu tun haben, um nicht jeden Konflikt gewinnbringend eskalieren zu lassen...

vg totality
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#7
Da wünsche ich dir viel Erfolg!

Wahrscheinlich werden sie es wegen geriger Erfolgsaussicht auf einen Vergleich anlegen. Musst du wissen, ob du darauf Lust hast.

Wenn ihr beide alternativmedzinisch drauf seid, möchte ich dich dran erinnern, die Schulmedizin-Karte zu spielen.

Nur wenn sie alles zumutbare zur Wiederherstellung ihrer Arbeitskraft unternimmt, kann dir ihr Leid ein Problem bereiten.
Zumutbar ist in Deutschland inzwischen sehr viel. (Siehe aktuelle Impfdisukssion.)

Bei verschriebenen Medikamenten kannst du durchaus überraschend einen Blutspiegel verlangen ob sie die tatsächlich nimmt oder falls es sich im Haar nachweisen lässt: noch besser, dann hast du eine Langzeitübersicht, was ihre Compliance angeht. So wie die mutmaßlich drauf ist, wird sie sich für ein paar tausender sicher nicht das Pharmagift reinjagen.

Ach so: ein Verrechnen mit deiner Depression mit ihren Gebrechlichkeiten ist in der Schulmedizinischen Sicht leider nicht vorgesehen.
So lange du arbeitsfähig bist, bist du arbeitsfähig. Wenn sie überzeugend nicht arbeitsfähig ist, hast du potenziell ein Problem. In deinem Fall sehe ich das auch eher entspannt, aber man weiß ja nie...
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#8
@ kronner

Theoretisch hast du ja Recht, in der Praxis wird das aber so ablaufen, dass die Frau so gut wie nichts beweisen muß. Sie behauptet, fertig. Wenn totality all diese Beweismittel vortragen wollen würde, müsste er seine Ex auf seine Kosten begutachten lassen, mehrfach sogar. Und die Exe müsste mitmachen, wozu sie aber niemand zwingen wird.

Nett gedacht, aber an der Realität der deutschen Rechtsprechung vorbei.
Bibel, Jesus Sirach 8.1

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