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Abteilungsleiter eines Jugendamtes über reformiertes Kindesunterhaltsrecht
#1
Aus FPR 2009, Heft 3 ein Beitrag von Joachim Beinkinstadt, Hamburg, seines Zeichens Abteilungsleiter des Bezirksjugendamtes Hamburg-Mitte. Hamburg waren die Blitzmerker, die sich durch die Privatisierung der Rückholung von Unterhaltsvorschuss kräftig blamiert haben. Ein paar Zitate aus dem Artikel:

"Welche Erfahrungen machen die Jugendämter mit dem reformierten Kindesunterhaltsrecht?

In den Jugendämtern wurden einerseits große Erwartungen und Hoffnungen für eine deutliche unterhaltsrechtliche Besserstellung minderjähriger Kinder geweckt, andererseits versprach man sich weitere Vereinfachungen durch den Wegfall komplizierter Berechnungswege. (...)

Nach einer in verschiedenen Jugendämtern erfolgten Erhebung ist die Bereitschaft zur Unterhaltszahlung bei den so genannten Herabsetzungen am höchsten, während es mit der Zahlungsbereitschaft aus den bei Gericht erstrittenen Titulierungen sehr schlecht bestellt ist.


(Generell jubiliert die Jugendamtsfigur im Artikel ganz offen über die Freude, wenn mehr Unterhalt vom Verpflichteten herauszubrechen ist, ist es weniger ist man traurig und sucht nach dreckigen Tricks a la Selbstbehalt ignorieren um das zu umgehen. Gegen die Bedarfskontrollbeträge hat man auch was. Applaudiert wird dagegen bei den kräftigen Erhöhungen oberhalb der untersten Einkommensgruppe)

Den Unterhaltsbeiständen in Ostdeutschland ist es nur in sehr wenigen Fällen gelungen, auf Grund der Unterhaltsreform mehr Kindesunterhalt zu realisieren. Im Osten war und ist der Mangelfall der Regelfall, da das Einkommen vieler Unterhaltsverpflichteter nicht einmal 1100 Euro monatlich bei voller Erwerbstätigkeit erreicht. Durch die Anhebung des Selbstbehalts auf Westniveau mussten viele minderjährige Kinder und ihre betreuenden Mütter die bittere Pille schlucken, dass deutlich weniger Unterhalt gezahlt wurde. Gerade noch rechtzeitig konnte die Entscheidung des BGH vom 9. 1. 2008 zur Absenkung des Selbstbehalts weiterhelfen, um manchen Abänderungsbegehren entgegenzutreten.

Der Schwerpunkt der Beratung und Unterstützung nach § 18 SGB VIII liegt eindeutig beim Volljährigenunterhalt. Junge Volljährige können zwar nicht mehr vom Jugendamt vertreten werden, gleichwohl soll möglichst ohne Rechtsstreit eine einvernehmliche Unterhaltsregelung herbeigeführt werden. Viele Mütter volljähriger Schüler sind immer wieder überrascht, dass für eine Unterhaltsberechnung auch ihre Einkommensverhältnisse maßgebend sind und der vom anderen Elternteil zu zahlende Unterhalt immer geringer als der Betrag ist, der noch während der Minderjährigkeit zu begleichen war, selbst wenn die Mutter mangels Leistungsfähigkeit ausscheidet. Diese Schlechterstellung durch die Unterhaltsrechtsreform war nur schwer „rüberzubringen“.

Der UVG-Leistungsträger hat natürlich ein ausgeprägtes Interesse daran, die Leistung so gering wie möglich zu halten und den Rückgriff so erfolgreich wie möglich zu gestalten. Aus diesem Grund wurde in den Richtlinien zur Durchführung des UVG auf die Abänderungsmöglichkeit nach § 36 Nr. 1 EGZPO hingewiesen. Es ist aber zu bezweifeln, ob diese - aus der Sicht von Mitarbeitern der Unterhaltsvorschusskassen komplizierte - Abänderungsklage überhaupt eingereicht wurde. In vielen Ämtern fehlt bereits der Mut für eine gewöhnliche Leistungsklage, so dass man es leider immer noch mit dem im Prinzip ungeeigneten Mahnverfahren versucht.

Schlussbetrachtung

Die hohen Erwartungen an die Reformziele des Kindesunterhaltsrechts haben sich für die Jugendämter nicht erfüllt. Eine wesentliche Besserstellung minderjähriger und privilegiert volljähriger Kinder wurde mit Ausnahme der Verteilung im Mangelfall und der Eliminierung der unglücklichen Auswirkungen des § 1612b V BGB nicht erreicht.

Insbesondere ist es nicht gelungen, Kinder von der Sozialhilfe unabhängig zu machen, was dem Gesetzgeber angeblich ein besonderes Anliegen war. Dies ist aber nicht allein der Gesetzgebung zuzuschreiben, sondern auch den Entscheidungsträgern der Düsseldorfer Tabelle und der Leitlinien fast aller Oberlandesgerichte.

Für die Unterhaltsfachkräfte der Jugendämter hat die Unterhaltsreform viel Arbeit ohne nennenswerten Erfolg verursacht.

Wie dem auch sei, in diesem Jahr müssen sich die Jugendämter erneut mit neuen Regelungen auseinandersetzen. Die Reform des Familienverfahrensrechts führt zu einschneidenden Veränderungen in vielen Bereichen. Nach der Reform ist vor der Reform.



Der Artikel bestätigt indirekt die empfohlene Linie für den Umgang mit Jugendämtern: Weh tut denen nur, was und wer möglichst viel Arbeit macht. Klaut ihnen die Zeit, stopft sie voll mit Gerümpel.
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#2
Joachim Beinkinstadt, das war der Typ, der die Parkkralle für Unterhaltssünder gefordert hat.
http://www.abendblatt.de/daten/2004/01/3...html?prx=1

Seine Äußerungen sind im Prinzip ein einziges Eingeständnis des Scheiterns. Die Unterhaltsrechtsreform hat für die Kinder nichts gebracht, im Osten ist bei Papa nix zu holen, und selbst zu Klagen kann sich das JA nicht durchringen. Vielleicht sollte ihm mal jemand den Tip geben, daß die meisten Trennungen einfach nicht finanzierbar sind, egal wie sehr man Papa auspressen will?
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