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BFH III R 23/07: Unterhaltsleistungen für mittellose Lebensgefährtin absetzbar
#1
Urteil vom 29.5.2008

Unterhaltsleistungen eines Steuerpflichtigen an seine mit ihm in einer Haushaltsgemeinschaft lebende, mittellose Lebenspartnerin sind ohne Berücksichtigung der sog. Opfergrenze als außergewöhnliche Belastung nach § 33a Abs. 1 Satz 2 EStG abziehbar (gegen BMF-Schreiben vom 28. März 2003, BStBl I 2003, 243).
http://juris.bundesfinanzhof.de/cgi-bin/...=9&anz=117
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Habe die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die du nicht ändern kannst.
Habe den Mut, Dinge zu ändern, die du ändern kannst,
und habe die Weisheit, das Eine von dem Anderen zu unterscheiden.
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#2
Ach, sieh an? Ist jetzt die Opfergrenze abgeschafft? Mal durcharbeiten, ob das jetzt allgemein gilt. Bisher ging das ja nur unter Berücksichtigung der Opfergrenze.

Ergänzung nach dem Lesen: Stimmt tatsächlich. Die Opfergrenze ist weg. Die Frage in der Faq kann angepasst werden. Klasse.
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#3
Gegen dieses Urteil wird BMF sicher gleich wieder einen Nichtanwendungserlass herausgeben.
Zum Nichtanwendungserlass habe ich auf der Seite des Bundesfinanzhofs gefunden:

"Es kommt allerdings auch vor, dass das Bundesministerium der Finanzen Einfluss auf den Gesetzgeber nimmt und eine von ihm als nicht hinnehmbar angesehene Rechtsprechung durch Änderung des betreffenden Steuergesetzes korrigieren lässt (sog. Nichtanwendungsgesetz)."
http://www.bundesfinanzhof.de/www/bfh/08...tung2.html

Ähm...Habe ich das hier richtig verstanden? Der Bundesfinanzhof schreibt hier, dass die Exekutive Einfluss auf die Legislative nimmt? Und das auf der Homepage des BFH!
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#4
Ne, da steht nicht Finanzhof sondern das Ministerium und das ist ja auch i.O.
(Ausnahmsweise Dodgy)

Zitat:Es kommt allerdings auch vor, dass das Bundesministerium der Finanzen Einfluss auf den Gesetzgeber nimmt

Äh ne mein Fehler, hattest du ja auch so geschrieben. Wink

Aber das halte ich dennoch für i.O.

Der Fachminister schlägt ne Gesetzesänderung vor und das Parlament beschließt.
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#5
Das Wort "Einfluss" hat hier ein Gschmäckle. Wie konkret sieht der Einfluss aus? Und der Finanzminister lässt durch den Gesetzgeber korrigieren... ! Wie hört sich das denn an?

aus Wikipedia:
...Diese drei Staatsgewalten kontrollieren und bremsen sich durch weitreichende Verschränkungen gegenseitig, tarieren ihre Machtpositionen untereinander aus: Eine Konzentration staatlicher Gewalt in einer Hand wird auf diese Weise verhindert.


Und ganz krass
Zitat:In nicht mehr allzu seltenen Fällen verfügt die Finanzverwaltung allerdings einen sog. Nichtanwendungserlass. Das heißt, sie ordnet an, dass die Finanzämter die vom Bundesfinanzhof getroffene Entscheidung über den konkret entschiedenen Einzelfall hinaus nicht anwenden dürfen.
http://www.bundesfinanzhof.de/www/bfh/08...tung2.html

Nach meinem Rechtsempfinden hat dies mit gegenseitiger Kontrolle nichts mehr zu tun. Ich habe den Eindruck, hier will der BFH den Finanzminister anprangern.
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#6
Ich finde, es ist da sehr gut beschrieben und auch richtig so.

Der BFH kann keine Gesetze machen, er kann nur Urteile fällen und, so wie es da steht, gilt das eben nur genau für den einen Fall.
Wenn sich daraus die Erkenntnis ableitet, dass das grundsätzliche Bedeutung hat, kann das eben nicht das Gericht festlegen, sondern es müsste der Minister den Änderungsbedarf erkennen, einen Gesetzentwurf zum Parlament tragen und die beschließen das, wenn sie das für richtig halten.

Wenn der Minister das nicht tut oder das Parlament dem nicht zustimmt, bleibt es eben bei der bemängelten Regel und die nächsten 10.000 Leute könnten zum gericht rennen und klagen und dann hätte das Gericht eben 10.000 Einzelfälle zu entscheiden.

Die Tatsache, dass der BFH ein Urteil gesprochen hat, ändert eben nicht die Gesetze und es bleibt im Ermessen des BMF über die allgemeine Anwendbarkeit zu beschliessen.
Entweder mit der Absicht eine Gesetzesänderung zu initiieren oder eben das auszusitzen.

Ich wäre froh, wenn es im Familienrecht so wäre!

Da werden aber vom Ministerium nichtssagende Gesetze gemacht und dann abgewartet, bis der BGH ihnen sagt, wie sie diese Gestze gemeint haben. Oder bis die OLGs ihre eigenen Regeln drüber gelegt haben.
Das ist viel schlimmer.
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#7
Wir hatten das schon mal diskutiert (allerdings ging es hier um die Erlasse):
http://www.trennungsfaq.com/forum/showth...hp?tid=419
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#8
(01-04-2009, 15:21)p schrieb: Ach, sieh an? Ist jetzt die Opfergrenze abgeschafft? Mal durcharbeiten, ob das jetzt allgemein gilt. Bisher ging das ja nur unter Berücksichtigung der Opfergrenze.

Ergänzung nach dem Lesen: Stimmt tatsächlich. Die Opfergrenze ist weg. Die Frage in der Faq kann angepasst werden. Klasse.

Klasse hoch zwei!

Konstruieren wir mal:

Die Opfergrenze ist nicht zu berücksichtigen bei Unterhaltsleistungen an den dauernd getrennt lebenden Ehegatten bzw. den Exgatten sowie an den im Ausland lebenden Ehegatten (BMF-Schreiben vom 9.2.2006, BStBl. 2006 I S. 217 Tz. 35). Ebenso nicht, wenn bei einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft der unterhaltsbedürftige Lebensgefährte aufgrund des Zusammenlebens mit dem Unterhaltsverpflichteten keine öffentlichen Mittel für den Lebensunterhalt bekommt (BFH-Urteil vom 29.5.2008, III R 23/07, DStR 2008 S. 1963).
Die Opfergrenze beträgt 1 % je volle € 500,00 des Nettoeinkommens (bei Ehegatten: gemeinsames Nettoeinkommen), jedoch höchstens 50 % des Nettoeinkommens


Wenn das fettgedruckte auch im Ausland gilt, heisst das, meine getrennt lebende Lebensgefährtin (oder auch Ehefrau im Zweifel) kann bis zu 100% meines (verbleibenden) Nettos bekommen, die dann steuerlich absetzbar sind?

Wir berechnet sich dann der Unterhaltsanspruch der 1. Frau und Kind?
Verfügbares netto-KU-EU(Ausland)+Steuergutschrift=EU (1. Frau)?
Wohl kaum, oder geht es hier nach Reihenfolge (wer zuerst kommt, malt zuerst, also 1. Frau zuerst)?

Ich denke ja, aber da die Steuergutschrift in die Unterhaltsberechnng KU+EU mit einfliesst, wäre eine Nettobetrachtung mal interessant.

Hilfe, p!

Master Chief
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#9
Die Opfergrenze spielt bei zivilrechtlichen Unterhaltsansprüchen keine Rolle, das wäre so sinnwidrig dass nie davon im Finanzamt die Rede war. Die Kombination aus "im Ausland lebend" und "nichtehelich" geht grundsätzlich nicht, denn die Definition von nichtehelicher Lebensgemeinschaft beruft sich auf Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft und die kann es nur geben, bei beide zusammen wohnen.
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#10
Weiteres Urteil des BFH hierzu

Az. VI R 64/08 vom 17.12.2009
Gehören zu der Haushaltsgemeinschaft auch Kinder, so muss der Kindesunterhalt bei den Unterhaltsleistungen an die Lebensgefährtin abgezogen werden:
http://www.bundesfinanzhof.de/www/entsch...R6408.html
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#11
Das ist ja ein toller Trick, um die Steuerlast nach dem Wegfall der Opfergrenze doch noch zu erhöhen. Und zwar ausgerechnet dann, wenn das Paar in schmalen Verhältnissen lebt. Strafsteuern für Leute, die sich erfrechen arm zu sein.
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#12
Zwei Fälle.

1. Der Staat soll leisten (jüngst auch wieder bestätigt durch Papier et al BVerfG)
Die gesamte Bedarfsgemeinschaft wird zusmmengelegt, alle Einkünfte addiert und durch 3 geteilt und entledigt sich mathematisch so seiner Fürsorgepflicht.

2. Der Staat soll am Einkommen des Bürgers durch Steuern partizipieren
Dieselbe Bedarfsgemeinschaft wird aufgehoben, der Bedarf des Kindes vom Bedarf der Ehefrau entkoppelt, der steuerpflichtige Lohn kommt damit nur 2 Personen zu Gute und schwupps entsteht eine Steuerpflicht.

Inkonsistenz zwischen EStG und SGB. Rein physikalisch gesehen steigt die Entropie exponentiell zur Anzahl der Gesetze, insofern ist es ein vorhersehbarer Zustand.

Der BFH ist in einer undankbaren Lage. Er muß die den weltgrößten Moloch an zum Teil wiedersprüchlichen Steuergesetzen verteidigen und diese gleichzeitig in Einklang mit BGB und SGB bringen.
Er kann somit nur auf verlorenem Posten stehen und versuchen den Schaden zu begrenzen.

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#13
Je mehr ich über dieses Urteil nachdenke, desto mehr merke ich, wie unglaublich fies und hinterfotzig es ist. Die Knackpunkt daran ist der steuerliche Umgang mit den Kindern, der sich als reine Perversion entpuppt.

Kindesunterhalt ist nicht steuerlich absetzbar. Das Gericht nimmt nun einfach die irre hohen deutschen Kindesunterhaltssätze, obwohl die Familie zusammenlebt und gemeinsam wirtschaftet und sagt dem Steuerpflichtigen: Diesen Kindesunterhalt (Unterhalt, nicht der steuerliche Freibetrag!) ziehen wir mal voll vom Einkommen ab und dann sehen wir mal, ob überhaupt noch was übrigbleibt. Wenn zu wenig übrigbleibt, darfst du auch nichts von dem Geld an deine Partnerin von der Steuer absetzen.

Das ist ein trickreiches Spiel, das für solche Familien zur Steuermaximierung führt. Das zu versteuernde Einkommen wird in zwei Rechnungsschritten maximiert (den rechnerischen Kindesunterhalt muss er voll versteuern!), wärend das nicht zu versteuernde Geld (an die Lebensgefährtin) minimiert wird. Auch die einkommenserhöhende Anrechnung des Kindesgeldes hilft hier wenig, denn es ist viel kleiner wie der einkommensmindernde Unterhalt. Eine richtig fiese Waage, bei der der Staat eine Rechnung aufmacht, schnell man die Gewichte vertauscht und dann auf neuer Grundlage weiterrechnet. Immer zu Ungunsten des Steuerpflichtigen.

Im krassen Gegenteil dazu stehen Steuersysteme wie das Französische, in dem jedes Familienmitglied einen festen, identischen Freibetrag hat. Wird er nicht ausgenutzt (weil z.B. ein Kind oder die Partnerin kein Einkommen hat), kann er vom steuerpflichtigen Familienmitglied mit genutzt werden. Egal ob verheiratet oder nicht.
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