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OLG München 5St RR (II) 60/10 zerfetzt Verurteilung Unterhaltspflichtverletzung
Die Revisionsbegründung ist da:

RECHTSANWALTSKANZLEI BECKER & PARTNER, SANDAUER STR. 253, 86899 LANDSBERG
ZU AKTENZEICHEN 5 Ns 101 Js 115166/08 Revisionsbegründung
In der Strafsache gegen Camper
wegen Verletzung der Unterhaltspflicht
darf ich Bezug nehmen auf den hier geführten Rechtsmittelschriftsatz (Revisionseinlegung) vom 16.01.2012 zum Landgericht Augsburg und darf im Anschluss daran beantragen was folgt:

I. Das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 16.01.2012, verkündet unter dem Geschäftszeichen 5 Ns 101 Js 115166/08 wird aufgehoben.
II. Die Sache wird eine andere Strafkammer des Landgerichts Augsburg zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Ich rüge die Verletzung sachlichen Rechts.
Insbesondere, aber nicht abschließend, rüge ich was folgt:

1)

In seinen Urteilsgründen führt das Landgericht Augsburg wie folgt aus:
Zu der Frage der Leistungsfähigkeit des Angeklagten führt das Landgericht Augsburg auszugsweise wie folgt aus (Seite 11/12):
„Im November 2007 erhielt der Angeklagte Arbeitslosengeld II in Höhe von 811,17 € und im Dezember 2007 in Höhe von 791,49 €. Unter Berücksichtigung des Selbstbehalts von 770,00 € hätte der Angeklagte damit einen monatlichen Unterhalt in Höhe von gerundet 40,00 € im November 2007 und von 20,00 € im Dezember 2007 leisten können und müssen. Von Januar 2008 bis Juni 2008 bezog der Angeklagte Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 811,17 € und hätte damit wiederum monatlich 40,00 € Unterhalt leisten können und müssen. Im Juli 2008 bezog der Angeklagte Arbeitslosengeld II in Höhe von 791,17 € und Nettoeinkünfte als Taxifahrer von 244,79 €, insgesamt 1.035,96 €(...)“
Weiterhin führt das Landgericht in seinen Urteilsgründen auf Seite 16 folgendes aus:
„Die Strafkammer ging von den tatsächlich erzielten Einkünften des Angeklagten aus, nachweislich erzielbare höhere Einkünfte nicht vorlagen.“
Weiterhin führt das Landgericht Augsburg auf Seite 19 der Urteilsbegründung wie folgt aus:
„Die erste Unterhaltspflichtverletzung endete mit dem Wegfall der Leistungsfähigkeit ab Juli 2007. Die zweite Unterhaltspflichtverletzung begann mit dem Wiedereintritt der teilweisen Leistungsfähigkeit ab November 2007“.
Mit anderen Worten:
Gegenstand der tatmehrheitlich begangenen „zweiten Unterhaltspflichtverletzung“ ist der Tatzeitraum von November 2007 bis einschließlich Juli 2008.
Im Wesentlichen verfügte der Angeklagte hier lediglich über Leistungen nach Maßgabe des SGB II (sogenanntes Arbeitslosengeld II). Lediglich im Juli 2008 bestanden weitergehende Nettoeinkünfte als Taxifahrer von 244,79 €.
Das Gericht sieht den Angeklagten damit teilweise leistungsfähig trotz bestehenden Bezuges von Arbeitslosengeld II. Dem ist aus Rechtsgründen entgegen zu treten. Soweit es nicht darum geht, dass dem Bezieher von Leistungen nach Maßgabe des SGB II (Arbeitslosengeld II) fiktive Einkünfte zugerechnet werden können, genau dies macht das Landgericht Augsburg hier nicht, vermögen tatsächliche Einkünfte nach Maßgabe des SGB II einen Unterhaltsschuldner nicht leistungsfähig, auch nicht teilweise, zu machen.

2)

Das Landgericht Augsburg führt in seinen Entscheidungsgründen weiterhin folgendes aus:
Auf Seite 9 (notwendiger Selbstbehalt) führt das Landgericht Augsburg folgendes aus. Nach den Düsseldorfer Tabellen (Stand 01.07.2005 und Stand 01.07.2007) betrug der Selbstbehalt des nicht erwerbstätigen unterhaltspflichtigen Angeklagten gegenüber der minderjährigen, unverheirateten, unterhaltsberechtigten Tochter monatlich 770,00 €. Nach der Düsseldorfer Tabelle (Stand 01.01.2008) betrug der Selbstbedarf des Angeklagten gegenüber der Tochter beim nichterwerbstätigen unterhaltspflichtigen Angeklagten monatlich 770,00 €, beim erwerbstätigen unterhaltspflichtigen Angeklagten monatlich 900,00 €. Gründe von diesen in der Praxis entwickelten Tabellen abzuweichen, bestanden nicht.
Dem wird entgegen getreten. Aus den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten ergibt das Urteil (Seite 5) hier folgendes:
„Der Angeklagte hat seit vielen Jahren gesundheitliche Probleme. Unter anderem liegen psychische Probleme bei einer querulatorischen Persönlichkeit vor, erlitt der Angeklagte im Jahr 2004 einen Schlaganfall, im Jahr 2006 Herz-Rhythmus-Störungen, im Jahr 2006 eine schwere Durchblutungsstörung des rechten Beins, wurde im Jahr 2006 ein Bypass angelegt, erlitt der Angeklagte im Jahr 2007 einen weiteren Schlaganfall und wurde ein Gerät zur Detektion von Herz-Rhythmus-Störungen implantiert.“
Bereits in einer Zusammenschau von Quantität und Qualität ergibt sich die Notwendigkeit den Selbstbehalt um mindestens 400,00 € zu erhöhen.
Es werden insoweit fiktive Einkünfte einer etwaig hinzugezogenen Pflegekraft in Ansatz zu bringen sein.
Der vom Landgericht Augsburg insoweit gewählte Selbstbehaltsatz ist in der Wahl nicht regelgerecht.

3)

Unter Ziff. 4 Beweiswürdigung führt das Landgericht Augsburg auf Seite 14 der Urteilsgründe folgendes aus:
Er (Einschub: der Angeklagte) erklärte auch, in dem Zeitraum Mai 2006 bis Juli 2008 keinerlei sonstige Unterhaltsverpflichtungen gehabt zu haben.
Er habe in dieser Zeit keinerlei Zahlungen an Chantal-Noelle geleistet. Es sei nicht sein Problem, wovon diese lebe.“
Weiterhin führt das Landgericht Augsburg auf Seite 12/13 des Urteils unter Ziff. 8 folgendes aus:
Aus dem früheren Verfahren vor dem Amtsgericht Augsburg – Zweigstelle Schwabmünchen – mit dem Aktenzeichen 203 Js 126368/04 und den Gründen der Urteile des Amtsgerichts Landsberg vom 09.10.2006 und des Oberlandesgerichts München vom 31.07.2007 mit dem Aktenzeichen 404 F 1607/06 ergibt sich, dass der Angeklagte bereits zu diesem Zeitpunkt über seine Pflichten informiert wurde und daher wusste, dass er seiner Tochter Chantal-Noelle gegenüber zur Zahlung des Regelunterhalts im Rahmen seiner tatsächlichen Leistungsfähigkeit verpflichtet war. Angesichts seiner Einkünfte aus dem Arbeitslosengeld I bzw. Krankengeld wusste er, dass er zu den Zahlungen auch in der Lage gewesen wäre. Auch bei den Einkünften aus dem Arbeitslosengeld II und der Taxifahrertätigkeit hielt er es zumindest für möglich, dass er zu teilweisen Zahlungen verpflichtet und in der Lage gewesen wäre.“
Dem ist entgegen zu treten:
Insbesondere kann nicht erkannt werden, dass der Angeklagte vorsätzlich seine Unterhaltspflicht verletzte zu Zeiten, als er über Arbeitslosengeld II verfügte.
Zwar genügt grundsätzlich im Rahmen des § 170 StGB ein bedingter Vorsatz.
Jedenfalls solange und soweit der Angeklagte hier Arbeitslosengeld II bezog, können sie tatsächlichen Urteilsfeststellungen einen bedingten Vorsatz nicht tragen. Derjenige, der Leistungen bezieht nach Maßgabe des SGB II, um menschenwürdig leben zu können, wird regelmäßig eben nicht bedingt vorsätzlich seine Unterhaltspflicht verletzen, sondern von dem Gedanken getragen sein, Unterhalt selbst nicht leisten zu müssen. Dies entspricht wiederum einem Tatbestandsirrtum gemäß § 16 StGB. Dies übersieht das Landgericht Augsburg vorliegend.

4)

Soweit nach Maßgabe der Urteilsfeststellung (Seite 14) der Angeklagte geäußert habe, es sei nicht sein Problem, wovon die Tochter Chantal-Noelle lebe, handelt es sich jedenfalls um einen vom Landgericht Augsburg übersehenen Verbotsirrtum in Sinne des § 17 StGB.

MB Rechtsanwalt
Gottes Mühlen malen langsam, aber klitzeklein.

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RE: OLG München 5St RR (II) 60/10 zerfetzt Verurteilung wegen Unterhaltspflichtverletzung - von Camper1955 - 30-03-2012, 10:23

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