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BGH Az XII ZR 65/07 28.11.2008: Ab sofort alle Kindergartenkosten Mehrbedarf
#1
Bundesgerichtshof Urteil Az XII ZR 65/07 vom 28.11.2008
Volltext: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bi...=0&Frame=2

Leitsatz: "Kindergartenbeiträge bzw. vergleichbare Aufwendungen für die Betreuung eines Kindes in einer kindgerechten Einrichtung sind in den Unterhaltsbeträgen, die in den Unterhaltstabellen ausgewiesen sind, unabhängig von der sich im Einzelfall ergebenden Höhe des Unterhalts nicht enthalten. Das gilt sowohl für die Zeit vor dem 31. Dezember 2007 als auch für die Zeit nach dem Inkrafttreten des Unterhaltsänderungsgesetzes 2007 am 1. Januar 2008 (Aufgabe der Senatsurteile vom 14. März 2007 - XII ZR 158/04 - FamRZ 2007, 882, 886 und vom 5. März 2008 - XII ZR 150/05 - FamRZ 2008, 1152, 1154). Die in einer Kindereinrichtung anfallenden Verpflegungskosten sind dagegen mit dem Tabellenunterhalt abgegolten."

Verschiedentlich war schon einiges darüber zu lesen, auch hier im Forum. Der Fall: Nichteheliche Beziehung, Vater kein Sorgerecht, Mutter haut mit Kind aus Berlin in die Schweiz ab ("während eines Unterhaltsrechtsstreits") und arbeitet etwa halbtags (60%). Kind geht in Kindergarten. Die Kosten dafür belaufen sich auf fast 6000 Franken (ca. 4000 EUR). Der Vater zahlt bereits irre hohen Unterhalt nach der höchsten Tabellenstufe und zusätzlich extra noch die Krankenversicherung. Nun will sie auch die Kindergartengebühren, ca. 200 EUR pro Monat. Der Gesamtunterhalt liegt somit aufsummiert bei deutlich über 600 EUR pro Monat.

Die Sache geht zum BGH hoch. Der sagt gleich mal einen entlarvenden Satz über Kindergärten: "Darüber hinaus werde in der aktuellen gesellschaftspolitischen Diskussion unter Hinweis auf das Wächteramt des Staates zum Schutze des Kindeswohls gefordert, dass Kinder Kindergärten oder vergleichbare Einrichtungen besuchten, damit sie selbst sowie das Erziehungsverhalten der Eltern einer Kontrolle unterlägen." Kontrolle also. Na dann mal ab mit den Richtern in den Kindergarten, die brauchen noch viel mehr Kontrolle.

Bisher war es so: Normale Kindergartengebühren waren im Unterhalt ausdrücklich enthalten. Dann hat der BGH im März 2008 geurteilt, dass der Gebührenanteil für Ganztagesbetreuung künftig Mehrbedarf sei. Wurde schon im Forum besprochen: http://www.trennungsfaq.com/forum/showthread.php?tid=40

Ab sofort: "An dieser Auffassung hält der Senat nicht fest." Alle Kindergartenkosten (ausser Verpflegung) seien Mehrbedarf. Die Begründung ist witzig. Vorher wäre der Unterhalt auf der Regelbetragverordnung basiert, da wäre der Kindergarten eingerechnet gewesen. Nun basiere er auf dem Steuerfreibetrag für das Existenzminimum, da wäre er nicht eingerechnet. Die Umetikettierung führt also zu einer enormen Bedarfsvermehrung.

Unterschrieben von der sattsam bekannten Fünferbande: Hahne, Sprick, Weber-Monecke, Wagenitz, Klinkhammer.


Das Urteil führt zu weitreichenden Unterhaltserhöhungen. Die alleinerziehenden Mütter von Kindergartenkindern sind meistens nur wenig oder nicht erwerbstätig. Somit wird der Mehrbedarf zum grossen Teil auf den Unterhaltspflichtigen alleine lasten. Diese Kosten sind alles andere als niedrig: Für ein Kind liegt die Ganztagebetreuung meistens bei 150-250 EUR pro Monat, halbtags 90 EUR. Vorher hat sich der betreuende Elternteil genauer überlegt, ob man das Kind den ganzen Tag in den Kindergarten gibt, weil ja auch die Kosten aufgebracht werden mussten. Nun kann sie die Rechnung an den Pflichtigen weiterreichen. Um selber mehr Zeit fürs Nagelstudio zu haben, um ihn zu ärgern, um sich zu gönnen was "ihr zusteht"... Der "Bedarf" wird sich in vielen Fällen verdoppeln und in allen Fällen um mindestens 90 EUR erhöhen.

Der Pflichtige zahlt nun Unterhalt, weil die Berechtigte das Kind betreut. Und er zahlt Dank BGH nochmal zusätzlichen Unterhalt, weil die Berechtigte das Kind nicht betreut.

Dem BGH ist es wieder einmal gelungen, mit einem Schlag eine extreme Kindesunterhaltserhöhung durchzujagen. Nicht nur für Kindergartenkinder. Der Schulhort dürfte ähnlich zu beurteilen sein und auch Kinderkrippen. Das erhöht den Druck auf die Pflichtigen, der Unterhaltswahnsinn wird mit Urteilsnapalm auf der BGH-Monsterküche angeheizt. Nicht nur ein bisschen, nein, es wird richtig kräftig zugelangt. Mit einem Schlag werden einige hunderttausend Pflichtige nun zum Mangelfall, deren Einkommen bisher noch reichte. Offenbar wird ausgetestet, ob es überhaupt Grenzen gibt oder ob es stimmt, dass Väter absolut alles mit sich machen lassen.

Für mich kann ich nur sagen, dass ich es schade finde, dass mein Kind nicht mehr in den Ganztageskindergarten geht. Je höher der Unterhalt, der nicht gezahlt wird, desto schöner :-)
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BGH Az XII ZR 65/07 28.11.2008: Ab sofort alle Kindergartenkosten Mehrbedarf - von p__ - 02-05-2009, 22:44

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