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Aktuelle Urteile zur Vollstreckbarkeit von Titeln nach Volljähigkeit - Druckversion

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Aktuelle Urteile zur Vollstreckbarkeit von Titeln nach Volljähigkeit - p__ - 06-08-2008

Die Frage, ob bei Eintritt der Volljährigkeit des unterhaltsberechtigten Kindes weiter nach früheren Titeln und Gerichtsurteilen gepfändet werden kann, ist für viele Väter eminent wichtig. Eine Beschänkung auf Volljährigkeit findet sich darin nämlich selten. Eine sichere Antwort darauf gibt es leider nicht. § 798a ZPO spricht davon, dass bei Titeln nach §1612a BGB (=dynamische Titel) trotzdem weitervollstreckt werden kann. Zwei Gerichtsurteile der jüngeren Vergangenheit befassen sich mit statischen Titeln, d.h. Titeln in denen ein fester Geldbetrag verzeichnet ist anstatt ein Prozentsatz der Regelbetragsverordnung.

Das Amtsgericht Halberstadt schreibt in seiner aufgeblasen-langatmigen Begründung in seinem Beschluss vom 3.4.2006, Az 9F82/06, eine Pfändung wäre auch aus einem statischen Titel möglich. Der Pflichtige müsse eben eine Abänderungsklage anstrengen, um die neuen Verhältnisse (z.B. die neu eingetretene Barunterhaltspflicht des anderen Elternteils) umzusetzen. Das volljährige Kind dürfe weiter vollstrecken, weil es die "Kontinuität der Unterhaltszahlungen" wolle. Das Kind sei sowieso im Stress, denn die Zeit der Volljährigkeit sei geprägt von "ausserhäuslicher Orientierung" und dergleichen mehr.

Etwas anders tönt das OLG Hamm im Beschluss vom 31.5.2005, Az 9WF67/05. Darin wird davon ausgegangen, dass aus einem statischen Titel nicht vollstreckt werden kann. Ab Volljährigkeit sei ein neuer Titel zu erwirken. § 798a ZPO würde falsch interpretiert, weil er tatsächlich keine statischen Titel erfasse: "Auf Schuldtitel über Individualunterhalt findet §798a ZPO keine Anwendung" (Zöller/Stöber, ZPO, 25. Auflage)


Grundsätzlich ist es ein übles Unding, dass nach Volljährigkeit überhaupt noch gepfändet werden kann. Mit dem 18. Geburtstag ändern sich die Dinge nämlich grundlegend, denn dann wird auch der andere Elternteil barunterhaltspflichtig. Das ist kein überraschendes schutzbedürftiges Ereignis, sondern steht bereits seit 18 Jahren taggenau fest. Für privilegierte Kinder bedeutet das beispielsweise, dass auch der bisher nichtzahlende Elternteil, der sich auf seine "Betreuungsleistung" zurückziehen konnte nun einer gesteigerten Erwerbsobliegenheit unterliegt und Unterhalt zu erwirtschaften hat. Fast immer sind das die Mütter und denen gefällt es natürlich in keinster Weise, plötzlich nach den knallharten Maßstäben behandelt zu werden, die man Vätern schon immer angedeihen liess. Jede verlängerte Vollstreckbarkeit von Titeln bedeutet einen fortdauernden Schutzraum für diese Mütter, um sich ihrer Pflicht weiterhin zu entziehen. Fröhlich beim Vater vollstrecken und Gelder allein von ihm einsacken, ihm alle Mühe und Risiko einer Abänderungsklage aufzuhalsen - Mutter und volljähriges Kind dürfen währenddessen amüsiert zusehen, den Unterhalt "im guten Glauben" unrückholbar verbrauchen und gelassen abwarten, was das Gericht fabriziert.


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Der BGH hat eine eindeutige Interpretation des §798a ZPO gegeben:
...wegen der Identität des Unterhaltsanspruchs volljähriger Kinder mit dem Minderjährigenunterhalt (vgl. Senatsurteil vom 21. März 1984 - IVb ZR 72/82 - FamRZ 1984, 682)

siehe XII ZR 34/03 vom 26. Oktober 2005.

Es werden aber immer wieder Stufenklagen eingereicht - wie mir ergangen - bei bestehendem Unterhaltstitel aus der Minderjährigkeit, wo also eine Abänderungsklage richtig wäre. Der Zweck: höherer Streitwert, also höhere Prozessgebühren. Dabei entstehen zwei Titel: ein klarer Fall von "res judicata" oder auch "lex Medellin".


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OLG Koblenz, Beschluss vom 09.11.2006, Az. 7 WF 1042/06
Nun der Leitsatz einer Entscheidung des OLG Koblenz vom 9.11.2006, Az 7 WF 1042/06:

Ein zur Zeit der Minderjährigkeit des Kindes ergangener Titel über die Zahlung von Kindesunterhalt gilt fort, wenn das Kind volljährig wird, weil sich hierdurch am Grund der Unterhaltsverpflichtung, nämlich der Verwandtschaft in gerader Linie, nichts ändert. Gleiches gilt für den Fall, dass das Kind heiratet, weil hierdurch der Anspruch nicht erlischt sondern der bisher Unterhaltspflichtige lediglich im Rang hinter den Ehegatten zurücktritt. Die Tatsache, dass das Kind volljährig geworden ist und/oder geheiratet hat, kann daher nicht mit der Vollstreckungsgegenklage geltend gemacht werden. Dem Unterhaltspflichtigen bleibt es aber unbenommen, die durch die Volljährigkeit des Kindes eintretenden Änderungen der Verhältnisse im Wege der Abänderungsklage geltend zu machen.

ZPO § 767 Abs. 1, BGB § 1601, BGB § 1608

Die Gerichte ziehen einfach ein anderes Kaninchen aus dem Zylinder. Nach der "Kontinuität der Unterhaltszahlung" mal zur Abwechslung die "Verwandtschaft in gerader Linie". Das OLG Koblenz ignoriert dabei geflissentlich, dass auch die Mutter in gerader Linie zum Kind verwandt ist und dass dieser Umstand ab Volljährigkeit so grundlegende Auswirkungen auf die Unterhaltsverhältnisse hat, dass eine Vollstreckungsgegenklage sehr wohl Sinn hätte.


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Das OLG Hamm knallt durch. In völligem Widerspruch zu seiner eigenen Rechtssprechung wird am 18.07.2007 in Az 7 WF 140/07 geurteilt, sowohl statische als auch dynamische Titel würden mit Volljährigkeit fortgelten. Dabei verneint der 7. Familiensenat ausdrücklich die vom 9. Familiensenat getroffene (und wohlbegründete) Entscheidung! Ein unglaublicher Affenzirkus, der sich auch noch "Recht" schimpfen darf, der Haufen am selben OLG widerspricht sich innerhalb von 12 Monaten selbst in krasser Weise.

Stattdessen: "Dem folgt der Senat nicht. Es ist seit je her unbestritten, daß der Unterhaltsanspruch eines Kindes vor und nach Eintritt der Volljährigkeit derselbe ist. Er mag sich der Höhe nach ändern. Die Einheitlichkeit des Anspruchs folgt schon daraus, daß er vor und nach Eintritt der Volljährigkeit auf derselben Anspruchsgrundlage beruht. Das spricht gegen die Notwendigkeit eines neuen Titels. Änderungen können beide am Unterhaltsrechtsverhältnis Beteiligte durch § 323 ZPO verfolgen."

Was natürlich mehrfacher Schwachsinn ist, aneinandergereihte Sätze ohne jede Begründung. Aus einer so grundlegenden Anspruchsgrundlage wie Elternschaft kann natürlich keine Einheitlichkeit eines Anspruchs gefolgert werden, der hochspeziell in einem Titel festgelegt ist. Das OLG schwadroniert und fabuliert in den leeren Raum hinein - ich hoffe, der BGH lässt dort den Blitz hineinfahren. Sicherlich eine vergebene Hoffnung angesichts der deutschen Richter.