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BVerfG 1 BvR 311/08: Wille des 11jährigen Jungen muss ernst genommen werden - Druckversion

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BVerfG 1 BvR 311/08: Wille des 11jährigen Jungen muss ernst genommen werden - p__ - 05-09-2008

BVerfG Aktenzeichen 1 BvR 311/0 vom 27.6.2008
Noch nicht vom BVerfG veröffentlicht, aber vom Anwalt der das Verfahren vertreten hat. Volltext: http://www.baltesundrixe.de/images/beschlussbverfg.pdf

Interessante Entscheidung, die für viele Fälle den Vorrang des Kindeswillens vor dem Kontinuitätsprinzip betont. Das Kontinuitätsprinzip ist schon vor vielen Jahren zum gerne missbrauchten Schwachsinn in der Rechtssprechnung verkommen um "Mutter hat immer Vorrang" durchzudrücken, das BVerfG setzt erstmals eine Grenze.

Die Situation: Mutter hat das Aufenthaltsbestimmungsrecht, der Vater versucht vergeblich, einbezogen zu werden, Gutachten spricht dafür, aber die Gerichte nicht. Kind will seit Jahren zum Vater. Mutter zieht wieder einmal um (incl. Schulwechsel), Kind findet das schrecklich und will erst recht zum Vater. Jugendamt findet Umzug toll. OLG Braunschweig wollte das Kind bei der Mutter lassen - Kontinuität sei wichtiger als Kindeswille. Der übliche vordergründige Schwachsinn, weil es doch gerade die Mutter ist, die Kontinuität mit ihrer Umzieherei verhindert.

Doch diesmal: Einspruch vom BVerfG. Und zwar mit kräftigen Worten. Dem Oberlandesgericht Braunschweig wird attestiert, "eine grundsätzlich unrichtige Anschauung von der Bedeutung und Tragweite des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG und der dabei gebotenen Berücksichtung des kindlichen Willens" zugrunde zu legen. Das sitzt. Kling so ähnlich wie "Mathelehrer Müller hat eine grundsätzlich unrichtige Ansicht, was eine Addition überhaupt ist".

Was ist nun die richtige Anschauung? Das BVerfG gibt Nachhilfe. Der Wille des Kindes müsse hinreichend Berücksichtigung finden. Auch innere Bindungen zu einem Elternteil müssten in Sorgerechtsentscheidungen berücksichtigt werden. Der 11jährige habe über einen längeren Zeitraum zum Vater gewollt, das habe grosse Tragweite. Wenn das Kind nicht begründen könne, wieso es lieber beim Vater sein wolle, sei das keine Begründung, seinen Willen geringer zu schätzen. Das OLG würde einerseits Begründungen vom Kind verlangen, es aber andererseits als noch zu klein und wenig einsichtsfähig einschätzen, das ist ein Widerspruch. Einige weitere Annahmen des OLGs werden als unbegründet verworfen, der Volltext bieten einen reichen Textfundus für Anträge in eigenen Verfahren.

Das Urteil wird sich dafür verwenden lassen, den Kindeswillen im Grenzbereich zwischen 10 und 14 Jahren stärker zur Geltung kommen zu lassen. In diesem Altersbereich erwachte oft schon bei Trennngskindern der Wunsch nach einem Wechsel zum anderen Elternteil, vor allem wenn wie im vorliegenden Fall durch Umzüge sowieso keine Bindung an Ort und Schule aufgebaut werden konnte. Vor allem Väter sind trotzdem regelmässig vor Gericht gescheitert, ich kenne viele Entscheidungen wo in ziemlich schematischer Weise gegen einen Wechsel geurteilt wurde, obwohl das Kind dafür war. Vielleicht werden das nun ein paar weniger, wenn Väter entlang der BVerfG-Entscheidung argumentieren.

Nachtrag: Wo bleibt eigentlich die Pressemeldung, Artikel und überhaupt der Urteilstext des fast drei Monate alten Urteils auf den BVerfG-Seiten? Seltsame Zurückhaltung. Wo sind die Artikel "Verfassungsgericht stärkt Rechte der Kinder"? Ich glaube, da haben einige vor der eigenen Courage Angst bekommen. Weit weniger wichtige Entscheidungen wie die Schwafelei über Zwangsgelder gegen einen Vater, dessen neue Frau ihm den Umgang mit seinem Kinder aus früherer Beziehung verbietet wurden ausgiebig und am Tag des Entscheids öffentlich durchgenudelt.


RE: BVerfG 1 BvR 311/08: Wille des 11jährigen Jungen muss ernst genommen werden - Bluter - 05-09-2008

Hallo p,

hast du schon per Mail eine Anfrage zu dem Erscheinungstermin, des genannten Beschlusses getätigt?
Wenn nicht, stehe ich hierfür bereit, denn fragen kost ja nix!


RE: BVerfG 1 BvR 311/08: Wille des 11jährigen Jungen muss ernst genommen werden - p__ - 05-09-2008

Nachdem es der Anwalt selbst veröffentlicht hat (übrigens kein Unbekannter am BVerfG in Familiensachen, der arbeitet mit Substanz statt mit Heissluft aus verheizten Geldscheinen wie Kollege Plänkelhügel), war meine Neugier bereits vollauf befriedigt. Interessieren würde mich nur, wieso die Veröffentlichung zurückgehalten wird. Zwei Namen auszustreichen und das Ding auf den Webserver zu legen kann doch nicht so schwer sein? Aber das werden sie uns sicher nicht mitteilen...

Wie schon beim Urteil zum Unterhalt für nichteheliche Mütter scheint das BVerfG beim Veröffentlichen von Urteilen "strategisch" vorzugehen.


RE: BVerfG 1 BvR 311/08: Wille des 11jährigen Jungen muss ernst genommen werden - Bluter - 11-10-2008

Endlich veröffentlicht:

http://www.bverfg.de/entscheidungen/rk20080627_1bvr031108.html


RE: BVerfG 1 BvR 311/08: Wille des 11jährigen Jungen muss ernst genommen werden - p__ - 09-08-2009

Im März desselben Jahres gab es vom OLG FFM eine in dieselbe Richtung weisende Entscheidung, Volltext: http://web1.justiz.hessen.de/migration/rechtsp.nsf/3845F1387657164DC12575C4003C4590/$file/01uf07208.pdf

OLG FFM in Az 1 UF 72/08 vom 4.3.2008

Kurzfassung: Bei der Entscheidung über das Sorgerecht darf ein Gericht durchaus den Willen eines erst zwölf Jahre alten Kindes berücksichtigen. Nach Auffassung des Gerichts kann ein Kind mit zwölf Jahren durchaus in der Lage sein, eigenverantwortlich zu beurteilen, welche Regelung seinem Wohl am ehesten dient.

Der Fall: Das Kind lebte nach der Scheidung bei der Mutter, nach Konflikten beim Vater, nach weiteren Konflikten zusammen mit seinen beiden Halbgeschwistern bei den Grosseltern. Für den Vater war das okay, die Mutter verweigerte die Zustimmung, da gemeinsames Sorgerecht bestand hätten beide zustimmen müssen. Also müsste der Mutter das Sorgerecht entzogen werden, meinte eine Sachverständige. Ein Vormund übernahm das Sorgerecht, das Kind wurde angehört, es sprach sich für den Verbleib bei den Grosseltern aus und wollte die Mutter auch nicht mehr sehen. Die Mutter stellte ein paar ziemlich abartige Anträge, wollte dass das Kind vollstationär untergebracht wird.

Beim OLG blitzt sie komplett ab - ihre Beschwerde sei unbegründet. Das Kind C. mit seinen 12 Jahren zeigte sich sehr entschieden:
"C hat sich in den zwei Gesprächen mit dem Familienrichter erster Instanz, im Gespräch mit der vormaligen Sachverständigen, in Gesprächen mit dem Jugendamt, in mehreren Gesprächen mit der Verfahrenspflegerin und seinem Vormund und zuletzt auch bei seiner Anhörung vor dem Oberlandesgericht eindeutig positioniert, seinen Lebensmittelpunkt beibehalten zu wollen. Er war in dieser Hinsicht nach den Erkenntnissen des Senats niemals zweifelnd oder schwankend."

Das war der Schlüssel - auch wenn die Entscheidung in anderen Details problematische Elemente enthält, z.B. das von Richtern falsch verstandene "zur Ruhe kommen" und die Weigerung, einer möglichen Beeinflussung nachzugehen bzw. deren Folgen schützt: "Zumal auch durch Beeinflussung echte und schützenswerte Bindungen entstehen können und Erziehung immer auch mit Beeinflussung einhergeht (vgl. Staudinger-Coester, § 1666 Rn. 76; siehe auch Zitelmann, Kindeswohl und Kindeswille im Spannungsfeld von Pädagogik und Recht, S. 272)"

In diesem Punkt mieft leider wieder einmal der so häufig anzutreffende Gestank von feministischen Familienkriegsverbrecherinnen, der seine Spuren anhaltend in der Justiz hinterlässt. Die referenzierte Frau Dr. Phil. Maud Zitelmann lehrt an der FH Frankfurt Sozialwissenschaften, eine altbekannte Figur aus demselben Stall, in dem auch Salgo, Kostka, Flügge, Brückner und andere wie sie wiehern. Diese Bande und ihre direkten Helfershelferinnen, die alle mit der FH FFM zu tun hat, ist meiner Ansicht nach zu mindestens 50% an den katastrophalen Sonderwegen und Krankheiten des gesprochenen deutschen Familienrechts der letzten Jahrzehnte verantwortlich. Das lässt sich auch ganz leicht beweisen anhand der Referenzen in Urteilen und Protokollen in Anhörungen vor Gesetzesvorhaben. Aber das ist was für einen anderen Thread, hier nur Diskussion über das Urteil selbst.

Hier ist als Fazit festzuhalten: Der Wille des Kindes im obengenannten Grenzbereich spielt wieder eine grössere Rolle, nachdem es vor 1977 schon einmal so war. Darauf ist hinzuweisen. Urteile, in denen das übergangen wird, sollten in die Revision gebracht werden.


RE: BVerfG 1 BvR 311/08: Wille des 11jährigen Jungen muss ernst genommen werden - Ray - 09-08-2009

Ich hatte ja eine ziemlich intensive Phase um 2000 herum vor Gericht mit meiner Tochter (na eigentlich nicht 'mit', persoenlich habe ich sie ja nie gesehen), damals zwischen 12 und 14 Jahren alt. Kindeswille und intensive Anhoerungen des Kindes mit ebenfalls 'entschiedenem' Ablehnen des Umgangs mit mir wurden da auch staendig als zu beruecksichtigender Kindeswille zitiert.
Nur gab es komischereise nicht eine Gelegenheit zu einem einzigen Gespraech zwischen Vater und Tochter unter all diesen Intensivkontakten zu Fremden, die meinten in einer Poition zu sein mir zu erklaeren, was ich unter dem Willen meines eigenen Kindes zu verstehen haette.

Lange Rede, kurzer Sinn. Viel Spielraum zu Missbrauch. Weil es hier zufaelligerweise mal gegen die Mutter ging aendert nichts daran, dass das Ganze ein ganz schmutzigs Werkzeug in diesem gesamtem procedere bleibt.

Ray


RE: BVerfG 1 BvR 311/08: Wille des 11jährigen Jungen muss ernst genommen werden - Bluter - 09-08-2009

Mal abgesehen von der Tatsache, dass ich in Hoechst nicht mal tot über´m Zaun hängen möchte, habe ich mit dem ganzen Verlauf doch arge Probleme diesen nachvollziehen zu können.

Erst sind die Kids bei der Mutter; Mutter scheitert.
Dann entlässt die Mutter die Kids zum Vater; Vater scheitert.
Dann werden die Kids den Großeltern überstellt und nur einen Monat später überlegt sich die Mutter, das ihre vorherigen Ideen alle wohl doch nicht so klasse waren.
Aus Kindessicht würde ich auch irgendwann die Faxen dicke haben, ewig herumgereicht zu werden und an dem Punkt an dem es mir reicht einen Schlussstrich ziehen.

Hier gehen der Große und das JA Hand in Hand.

Was ich im gesamten Verlauf nicht schaffe ist, das - parallel zum SR-Verfahren - elterliche Bestreben nach einer Kontaktaufnahme zu den Kindern zu erkennen.

Nochmal aus Kindessicht:
Wenn an mir herumgezergelt würde und ich eh keinen Bock zur erneuten Umsiedlung habe, würde ich auch zum Umgang vermutlich blocken, wenn reihenweise Anträge ins Haus flatterten und Oma oder Opa mir dann noch vorlesen würde, dass ich dann eigentlich nicht zu Mama sondern vorübergehend in die Klappse sollte.
Beeinflussung durch die Großeltern mittels verlesen solcher News?
Hm, also zumindest den Jungen kann ich voll verstehen, wenn der keine Lust mehr auf irgendwas von Muttern hat.
Wieviel anwaltliche Beeinflussung und Strategie wohl aufseiten der Mutter hinter der Geschichte stand interessiert mich hier schon eher.


RE: BVerfG 1 BvR 311/08: Wille des 11jährigen Jungen muss ernst genommen werden - blue - 09-08-2009

(09-08-2009, 15:01)Ray schrieb: Lange Rede, kurzer Sinn. Viel Spielraum zu Missbrauch. Weil es hier zufaelligerweise mal gegen die Mutter ging aendert nichts daran, dass das Ganze ein ganz schmutzigs Werkzeug in diesem gesamtem procedere bleibt.
Da stimme ich Dir uneingeschränkt zu! Egal nun ob Mutter oder Vater, beide nutzen die Möglichkeit aus, das Kind zu manipulieren. Was einem Vater allerdings (im Regelfall) im Gegensatz zu einer Mutter fehlt, ist das unterstützdende Element der angeblich neutralen Helferinnenindustrie.

Ich selbst begleite einen Fall seit einigen Jahren, der auch schon international für etwas Aufregung gesorgt hat.

Das damals 9-jährige Mädchen war in einer Wohngruppe untergebracht und sollte so lange dort verbleiben, bis der Vater dieses Kind aufnehmen darf/kann.
Dieses wurde durch das JA und einem Gutachten festgestellt, da
insbesondere das Kind nicht zu ihrer Mutter wollte.

Einige Zeit später, ohne dass das Kind jemals wieder Kontakt zu ihrem Vater hatte, hatte es "plötzlich" Angst vor ihrem Vater!

Ich selbst hatte das Kind erlebt, welche innige Zuneigung sie zu ihrem Vater hatte. Und irgendwie/plötzlich/unverhofft hat sie Angst vor ihm.

Wozu Menschen im Stande sind, insbesondere MitarbeiterInnen des JA-Mönchengladbach, ist unbeschreiblich!

Disclaimer: Es gibt wirklich gute Leute bei unseren JÄern! So lange jedoch solche schwarzen Schaafe nicht ausgerottet sind, wird sich das schlechte "Image" dieser Behörde weiter durch die Bevölkerung ziehen.

Wie gerne würde ich Namen nennen....Sad


RE: BVerfG 1 BvR 311/08: Wille des 11jährigen Jungen muss ernst genommen werden - Ralf G. - 09-08-2009

(09-08-2009, 20:53)blue schrieb: Wie gerne würde ich Namen nennen....Sad

Ich nenne die Namen Pfeiffer und Kather von der Kinderklaubehörde Haldensleben und halte sie für arrogant und inkompetent.

Na und?


RE: BVerfG 1 BvR 311/08: Wille des 11jährigen Jungen muss ernst genommen werden - blue - 09-08-2009

(09-08-2009, 21:10)Ralf G. schrieb: Ich nenne die Namen Pfeiffer und Kather von der Kinderklaubehörde Haldensleben und halte sie für arrogant und inkompetent.

Na und?
Wenn ich, als Nichtbetroffener hier die Namen veröffentlichen würde, hätte @p verdammt viel Stress am Start.
Mein Name im vaeternotruf.de hat schon für ganz viel Wirbel gesorgt. Wink

Sowas mag ich ...Big Grin


RE: BVerfG 1 BvR 311/08: Wille des 11jährigen Jungen muss ernst genommen werden - Dirk_P - 24-10-2012

Hallo Forumsmitglieder,

dieser Beitrag ist zwar schon etwas älteraber dafür aber sehr interresant, hat jemand in Erfahrung bringen können was nun bei der erneuten Entscheidung vom Oberlandesgericht Braunschweig entschieden worden ist?