Trennungsfaq-Forum

Normale Version: BGH XII ZR20/09: Verlängerter Betreuungsunterhalt, wenn auch Vater mitbetreuen könnte
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Urteil vom 15.09.2010

Grundsätzlich ist auch der barunterhaltspflichtige Elternteil als Betreuungsperson in Betracht zu ziehen, wenn er dies ernsthaft und verlässlich anbietet. Maßstab dafür ist auch im Rahmen des § 1570 BGB das Kindswohl, hinter dem rein unterhaltsrechtliche Erwägungen zurücktreten müssen. Ist bereits eine am Kindeswohl orientierte Umgangsregelung vorhanden, ist diese grundsätzlich vorgreiflich.
Weil hier ein regelmäßiger Umgang mit dem Vater stattfindet und dieser das Kind ohnehin nach den vom Kammergericht in Bezug genommenen Feststellung des Amtsgerichts donnerstags nachmittags betreut, ist nicht nachvollziehbar, warum sich im Falle einer darüber hinaus gehenden Betreuung durch den Antragsgegner ein Loyalitätskonflikt für das Kind ergeben könnte.
...
Allein der Umstand, dass die Antragstellerin ihre Erwerbstätigkeit nach der Geburt des gemeinsamen Kindes für drei Jahre aufgegeben hatte und danach lediglich im Umfang von 25 Wochenstunden erwerbstätig war, spricht nicht notwendig dafür, dass diese Ausgestaltung auch bei zunehmendem Alter des Kindes Bestand haben sollte.
Das Berufungsurteil beruht auf dem unzutreffenden Verständnis der gesetzlichen Neuregelung in § 1570 BGB.

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bi...lank=1.pdf

Es kann sich also durchaus lohnen, die Mitbetreuung des Kindes anzubieten.

Damit wurde das Urteil, wie hier besprochen
http://www.trennungsfaq.com/forum/showth...675&page=1

aufgehoben.
(19-10-2010, 08:48)borni schrieb: [ -> ]Weil hier ein regelmäßiger Umgang mit dem Vater stattfindet

BGH rät: Umgang sabotieren, dann klappts auch mit dem Unterhalt...

Hoffen wir, dass die Entscheidung Reichweite entwickelt, denn leider wird alle paar Zeilen wird wieder das Lied von der "Einzelfallbetrachtung" gesungen. Die Betreuung für das Kind ist sehr weitreichend: Schule bis 15 Uhr, dann Hort, dann Grossvater und Vater. Äusserst günstige Situation also. Und die Mutter verdient netto so viel, dass sie keine Sozialleistungen kassieren kann.

Wenn man noch etwas positives herausdestillieren kann, dann den Satz, dass es keinen grundsätzlichen Vorrang der persönlichen Betreuung gegenüber anderen kindgerechten Betreuungsmöglichkeiten gebe. Man merkt aber schon an der Formulierung, wie gummiartig sich das dehnen lässt mit dem Verweis auf den "Einzelfall". Was ist kindgerecht? Vorrang schon, aber nicht grundsätzlich?

Hätte das Kammergericht noch andere Begründungen ins Urteil geschrieben, wäre es anders gelaufen:

"Das Berufungsgericht hat eine vollzeitige Betreuung des gemeinsamen Kindes in einer kindgerechten Einrichtung allein im Hinblick auf das Alter des Kindes aus grundsätzlichen Erwägungen abgelehnt. Individuelle Umstände, die diese Entscheidung rechtfertigen könnten, lässt das Berufungsurteil vermissen."

Am Wichtigsten aber vielleicht der Satz, den du schon oben zitiert hast, hier nochmal mit Referenz:

"Grundsätzlich ist auch der barunterhaltspflichtige Elternteil als Betreu- ungsperson in Betracht zu ziehen, wenn er dies ernsthaft und verlässlich anbietet (vgl. Empfehlung 5 des Arbeitskreises 2 des 18. Deutschen Familiengerichtstages). Maßstab dafür ist auch im Rahmen des § 1570 BGB das Kindswohl, hinter dem rein unterhaltsrechtliche Erwägungen zurücktreten müssen. Ist bereits eine am Kindeswohl orientierte Umgangsregelung vorhanden, ist diese grundsätzlich vorgreiflich (vgl. auch NK-BGB/Schilling 2. Aufl. § 1615 l Rn. 12).

Weil hier ein regelmäßiger Umgang mit dem Vater stattfindet und dieser das Kind ohnehin nach den vom Kammergericht in Bezug genommenen Feststellung des Amtsgerichts donnerstags nachmittags betreut, ist nicht nachvollziehbar, warum sich im Falle einer darüber hinaus gehenden Betreuung durch den Antragsgegner ein Loyalitätskonflikt für das Kind ergeben könnte. Die Grenze der Betreuungsmöglichkeit des Vaters dürfte allerdings u. a. in dessen eigener Erwerbstätigkeit zu erblicken sein. Insoweit fehlt es aber an ausreichenden Feststellungen des Berufungsgerichts.
"

Ausserdem kommt nach einer genaueren Rechnung zum Schluss heraus, dass ohnehin nicht viel Betreuungsunterhalt geflossen wäre, weil der Kindesunterhalt zu niedrig eingerechnet wurde. Vielleicht das entscheidende unausgesprochene Kriterium. Bei den heutigen Kindesunterhaltssätzen wird viel öfter über Mangelfälle gestritten wie über Geld, das über den Kindeshalt hinaus noch vorhanden sei.

blue

(19-10-2010, 10:29)p schrieb: [ -> ]Ausserdem kommt nach einer genaueren Rechnung zum Schluss heraus, dass ohnehin nicht viel Betreuungsunterhalt geflossen wäre, ....
Auf der anderen Seite wird jedoch meist VKH gewährt, wenn Muddi wegen BU einen Rechtsstreit über´s Knie brechen will. Versuchen kann sie es ja mal!
der von p hervorgehobene Satz mit der ensthaften angebotenen Betreuung sollte es jedem Vater ermöglichen, Anfeindungen wegen Unterhaltspflichtverletzung zu unterlaufen Wink

wenn er denn ernst gemeint wäre Tongue

Ich werde es mal in meine Argumentationssammlung mit aufnehmen!
Vorsicht!
Zur Glaubwürdikeit kommt noch die Verlässlichkeit als Anforderung.
Beides sind Attribute, die einem Vater, Kraft seines Geschlechts grundsätzlich abgesprochen werden.

In der Praxis wird ihm die Verlässlichkeit sicher schon aufgrund seiner gesteigerten Erwerbsobliegenheit abgesprochen werden.
"Solange sie noch Zeit zum Betreuen haben, haben sie auch Zeit, mehr zu arbeiten und mehr Unterhalt zu bezahlen!"

was denkst Du denn, wie verlässlich ich bin Big Grin

absolut verlässlich!

Und von Erwerbsobliegenheit steht nix im GG Wink

und was wollen sie machen? längstens 3 Jahre einsperren können sie und dann haben sie einen Hartz-IV-ler mehr
Gut. Dann ist ja alles wie immer! Smile
Trotz allem liefert der BGH Sätze, die man in eigenen Anträgen gut verwenden kann. Vielleicht erhöht das die Chancen nicht viel, aber wir können jede kleinste Erhöhung der Chancen gebrauchen, oder?
Absolut! Und selbst wenn man damit kein Gehör findet, muss man sie mit den eigenen Worten immer wieder durch die Manege ziehen, damit sie zu immer absurderen Widersprüchen gezwungen werden.
denn eine wirkliche Chance für unsere Kinder da zu sein, lässt man uns nicht